Einst galten Schweifsterne als Unglücksboten – heute liefern sie einen Einblick in die Frühgeschichte des Sonnensystems

Gleich zwei große Kometen sind im Anflug auf das innere Sonnensystem. Und zumindest einer davon hat das Zeug zu einem Jahrhundertkometen. Im März besucht uns zunächst Komet Panstarrs. Am 10. März durchläuft er den sonnennächsten Punkt seiner langgestreckten Ellipsenbahn, in den Wochen danach sollte der Schweifstern von Mitteleuropa aus in der Abenddämmerung mit bloßen Augen erkennbar sein.

Noch weitaus spektakulärer dürfte zum Jahresende Komet Ison werden, der am 28. November unser Zentralgestirn passiert. Wenn die derzeitigen Vorhersagen der Astronomen zutreffen, könnte Ison so hell wie der Vollmond werden und damit sogar am Tageshimmel sichtbar sein. Anfang Dezember erstreckt sich der Schweif des tief am westlichen Abendhimmel stehenden Kometen möglicherweise fast über ein Drittel des Himmels.

Allerdings ist bei solchen Prognosen Vorsicht geboten: Kometen sind recht launische Himmelskörper und narren die Forscher immer wieder. Auch wenn es schon vier Jahrzehnte her ist, das Beispiel des Kometen Kohoutek ist sowohl Astronomen als auch astronomisch interessierten Laien immer noch in mahnender Erinnerung. Als Jahrhundert-Komet angekündigt, blieb der Schweifstern von 1973 weit hinter den von den Medien kräftig geschürten Erwartungen zurück.

Komet Panstarrs lieferte gerade ein Beispiel für die Unberechenbarkeit dieser Himmelsobjekte: Im Januar zeigte er sich nur halb so hell wie ursprünglich erwartet. Doch kurz vor Erreichen des sonnennächsten Punktes seiner Bahn stieg die Helligkeit wieder rasanter an, so dass er möglicherweise doch noch die ursprünglichen Prognosen erfüllt und zu einem mit bloßen Augen deutlich sichtbarem Objekt in der Abenddämmerung wird. Außerdem: So mancher Komet entwickelt nach seinem Vorbeiflug an der Sonne zusätzlich zu seinem Schweif aus Gas einen ausgedehnten Staubschweif – und dieser kann den kosmischen Wanderer sogar heller erscheinen lassen als vorausgesagt.

Die Launenhaftigkeit liegt in der Natur der Kometen begründet: Sie sind keine festen felsigen Körper, sondern ein Gemisch aus Gesteinsbrocken und Staub, eingebettet in gefrorene, flüchtige Substanzen wie Wasser, Kohlenmonoxid, Kohlendioxid und Methan. Der eigentliche Himmelskörper – von den Astronomen als Kern des Kometen bezeichnet – ist nur wenige Kilometer groß.

Bei Annäherung an die Sonne verdampfen die flüchtigen Bestandteile und reißen dabei auch Staubpartikel mit sich. Es bildet sich eine Hülle aus Gas und Staub, die typischerweise hunderttausend Kilometer durchmessende Koma. Durch den Druck der Sonnenstrahlung und des Sonnenwinds bildet sich schließlich der eindrucksvollste Teil des Kometen, der Schweif, der zehn bis hundert Millionen Kilometer lang werden kann.

Wie viel Gas und Staub ein Komet freisetzt, hängt von der Beschaffenheit seiner Oberfläche ab – und diese wiederum davon, wie oft der Komet schon an der Sonne vorübergeflogen ist. Panstarrs und Ison sind vermutlich Kometen, die das erste Mal aus den äußersten Regionen in das innere Sonnensystem eindringen. Solche „neuen“ Kometen produzieren oft – aber nicht immer – besonders große Schweife.

Neu sind diese Himmelskörper aber nur im inneren Sonnensystem – tatsächlich sind sie uralt: Sie sind Überreste aus der Entstehungsphase des Sonnensystems vor rund 4,5 Milliarden Jahren – und das macht sie für die Himmelsforscher so interessant, bieten sie doch einen Einblick in diese kosmische Epoche.

Die Astronomen vermuten, dass das Sonnensystem weit außerhalb der Planetenbahnen von einer mehrere Milliarden Kometen enthaltenden Schale, der Oortschen Wolke, umgeben ist. Durch ihre geringe Masse sind die kleinen Himmelskörper anfällig für Störungen ihrer Bahnen – ab und an schwenkt deshalb ein Komet in das innere Sonnensystem ein und sorgt dort für ein Himmelsspektakel.

Keineswegs immer zur Freude der Menschen: Im Mittelalter galten die Schweifsterne als Vorboten von Seuchen und Kriegen. Und als die Erde 1910 den Schweif des Halleyschen Kometen durchquerte, kamen bei vielen Menschen Weltuntergangsängste auf, denn die Astronomen hatten giftige Substanzen wie Schwefel und Zyan im Kometenschweif nachgewiesen. Auch jetzt verbreiten selbsternannte Propheten Weltuntergangsszenarios über das Internet: Komet Ison sei Nibiru, ein mythischer Planet der Ende 2013 mit der Erde kollidiere.

Tatsächlich kommt Ison dann nicht der Erde, sondern der Sonne nahe. Bleibt zu hoffen, dass er dieses feurige Rendezvous unbeschadet übersteht und für die vorausgesagte Show am winterlichen Abendhimmel sorgt.

Der Stern von Bethlehem

Der historische Weihnachstern von Bethlehem war vermutlich kein Komet – obwohl er in moderneren Darstellungen zumeist als Schweifstern dargestellt wird. Viele Forscher glauben heute, dass es sich um eine dreifache Begegnung der Planeten Jupiter und Saturn im Jahre 7 vor unserer Zeitrechnung gehandelt hat. Denn in der damaligen Astrologie galt Jupiter als Stern der Könige, während Saturn mit dem König in Israel in Verbindung gebracht wurde. Unumstritten ist diese Deutung allerdings nicht – denn die babylonischen Quellen sprechen von einem neuen Stern, nicht von der Begegnung zweier Planeten.

Wann und wo sind die Kometen zu sehen?

Die Suche nach Panstarrs lohnt sich ab dem 10. März. Der Komet steht nach Sonnenuntergang tief am westlichen Horizont. Da der Kometenschweif immer von der Sonne weg zeigt, kann er auch nach Untergang des Kometenkopfs noch – einem Scheinwerferstrahl ähnelnd – über den Horizont ragen. Die beste Sichtbarkeitsperiode ist voraussichtlich vom 16. bis zum 23. März, danach stört bis Anfang April das Licht des Mondes.

Im Gegensatz zu Panstarrs könnte Ison bereits vor seiner Annäherung an die Sonne mit bloßen Augen auszumachen sein, dann allerdings tief im Osten in der Morgendämmerung. Etwa ab dem 1. Dezember taucht Ison dann in der Abenddämmerung tief im Westen auf. Seine größte Schweiflänge erreicht er vermutlich um den 5. Dezember. Die Helligkeit des Kometen nimmt dann zwar von Tag zu Tag ab, dafür steigt er aber nach Norden auf und ist damit abends immer länger vor einem immer dunkleren Himmel sichtbar – zu Weihnachten dann sogar während der gesamten Nacht.

Bildquelle: Philipp Salzgeber