Himmelsgewölbe ist in unserer Wahrnehmung keine Halbkugel, sondern eine abgeflachte Kuppel
Wohl jeder hat darüber schon einmal gestaunt: Geht der Vollmond auf oder unter, so erscheint er uns viel größer als wenn er hoch am Himmel steht. Die unterschiedlichsten Erklärungen kursieren für dieses Phänomen und auch die Wissenschaftler sind sich keineswegs einig. Eines allerdings steht fest: Der Vollmond ist nicht wirklich größer, das zeigen präzise Winkelmessungen. Es handelt sich folglich um eine Illusion, um eine optische Täuschung. Was aber führt unsere Sinneswahrnehmung so in die Irre?
Eine mögliche und lange Zeit favorisierte Erklärung ist die nach einem italienischen Psychologen benannte Ponzo-Illusion: Unser Gehirn konstruiert die Größe eines Objekts durch den Vergleich mit anderen Objekten. Steht der Mond hoch am Himmel, so fehlen Vergleichsobjekte. Am Horizont dagegen vergleicht das Gehirn den Mond mit Häusern und Bäumen und macht den Erdtrabanten so für uns größer. Doch da gibt es ein Problem: Auch Piloten und Flugpassagiere berichten, dass ihnen der Mond in Horizontnähe größer erscheint – doch aus großer Höhe sind keine Vergleichsobjekte am Horizont zu erkennen. Hier versagt also die Ponzo-Illusion als Erklärung.
Die meisten Forschen gehen deshalb heute von einer anderen Erklärung aus: Fliegende Objekte – ob Wolken, Flugzeuge oder Vögel – direkt über uns sind uns im Allgemeinen näher als fliegende Objekte am Horizont. Unser Gehirn konstruiert aus dieser Erfahrung ein Himmelsgewölbe, das keine Halbkugel, sondern eine abgeflachte Kuppel ist. Dann nämlich ist uns der Zenit des Gewölbes, der Punkt direkt über uns, näher als der Horizont. Und aus der Alltagserfahrung wissen wir, dass uns weiter entfernte Objekte lediglich kleiner erscheinen, wir schließen also auf ihre wahre Größe. Für unsere Wahrnehmung ist somit der Mond am Horizont weiter entfernt als wenn er hoch am Himmel steht – und deshalb ist er „gefühlt“ größer. Eine wahrhaft überzeugende Illusion.