Beobachtungen zeigen: Kopf der Wolke hat den Punkt der größten Annäherung bereits passiert

Garching - Es ist eine einmalige Gelegenheit für die Astronomen: Eine große Gaswolke rast mit hoher Geschwindigkeit dicht am supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße vorüber. Wie Beobachtungen eines internationalen Forscherteams an der Europäischen Südsternwarte ESO zeigen, hat der Kopf der durch die Schwerkraft des Schwarzen Lochs auseinandergezogenen Wolke bereits den Ort der größten Annäherung, das Perizentrum, durchquert. Die Forscher erhoffen sich aus den Beobachtungen der Passage genaue Erkenntnisse über die Umgebung des supermassiven Schwarzen Lochs. Rund ein Jahr werde es dauern, bis die gesamte Wolke das Perizentrum passiert hat, so die Astronomen im Fachblatt „Astrophysical Journal“.

„Das aufregendste Ergebnis unserer neuen Beobachtungen ist, dass sich der Kopf der Wolke jetzt mit einer Geschwindigkeit von zehn Millionen Kilometern pro Stunde auf uns zu bewegt“, erläutert Reinhard Genzel vom Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching bei München. Das entspricht etwa einem Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Genzel und seine Kollegen hatten die Gaswolke 2011 aufgespürt und ihren nahen Vorübergang am Schwarzen Loch vorausberechnet. Bislang hatten die Wissenschaftler eine beschleunigte Bewegung der Wolke von uns weg gemessen. Nach dem engsten Vorübergang kehrt sich – von der Erde aus gesehen – die Bewegungsrichtung um.

Die Gaswolke enthält etwas das Dreifache der Erdmasse und ist inzwischen durch das extreme Gravitationsfeld des Schwarzen Lochs über eine Länge von 160 Milliarden Kilometern auseinander gezogen. Das Perizentrum der Bahn der Wolke ist etwa 25 Milliarden Kilometer von dem Schwarzen Loch entfernt. Das entspricht zwar dem 166-fachen des Erdbahnradius, ist angesichts einer Masse von vier Millionen Sonnenmassen aber „ungemütlich nah“ am Schwarzen Loch, so die Astronomen. Woher die Wolke ursprünglich stammt, wissen die Himmelsforscher bislang nicht. Ihre Beobachtungen zeigen jedoch, dass sich in ihrem Inneren kein Stern verbirgt, was einige Astronomen ursprünglich vermutet hatten.

Zum Erstaunen der Forscher zeigt die Gaswolke bislang keinerlei Abweichung von einer rein dynamischen Bewegung um das Schwarze Loch. Die Astronomen hatten erwartet, dass die Wolke mit Gas in der Umgebung des Schwarzen Lochs in Wechselwirkung tritt – bislang gibt es dafür jedoch keinerlei Anzeichen. Außerdem sagt die Theorie voraus, dass es in der Umgebung des galaktischen Zentrums eine große Zahl stellarer Schwarzer Löcher gibt. Die Begegnung der Gaswolke mit einem solchen Schwarzen Loch könnte zu messbaren Ausbrüchen von Röntgenstrahlung führen – aber auch hier bislang Fehlanzeige. Aber der enge Vorbeiflug hat gerade erst begonnen – für die Astronomen bleibt es ein Jahr lang spannend.

Bildquelle: ESO/S. Gillessen/MPE/Marc Schartmann