Messungen deuten auf eine Wanderung der magnetischen Pole Richtung Äquator

Manchester (Großbritannien) - Die extrem regelmäßigen Strahlungspulse des Neutronensterns im Zentrum des Krebsnebels haben sich im Verlauf von 22 Jahren langsam verändert. Das zeigen von einem britisch-deutschen Forscherteam seit 1991 gesammelte, qualitativ hochwertige Radiobeobachtungen des Überrests einer Supernova, die im Jahr 1054 am Himmel aufleuchtete. Die Astronomen sehen in einer Wanderung der magnetischen Pole des Pulsars in Richtung Äquator die wahrscheinlichste Ursache für diese Änderung. Eine solche Polwanderung könne auch erklären, warum die schnelle Eigendrehung des Pulsars langsamer abbremse als von der Theorie vorhergesagt, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Pulsare sind rotierende Neutronensterne mit einem starken Magnetfeld, die für die Stabilität ihrer Strahlungspulse bekannt sind“, erläutern Andrew Lyne von der University of Manchester und seine Kollegen. „Doch in den vergangenen 22 Jahren konnten wir eine stetige Zunahme des Abstand zwischen dem Haupt- und dem Zwischenpuls beobachten.“ Der Pulsar im Krebsnebel sendet alle 33 Millisekunden einen Strahlungspuls aus, der vom langwelligen Radiobereich bis zur hochenergetischen Röntgenstrahlung reicht. Im Radiobereich zeigt sich zwischen zwei Hauptpulsen jeweils ein schwächerer Zwischenpuls. „Das genaue Profil des Pulses hängt von der magnetischen Struktur des rotierenden Neutronensterns ab“, so die Astronomen.

Lyne und seine Kollegen sehen deshalb eine Änderung des Magnetfelds als wahrscheinlichste Ursache für die von ihnen entdeckte Verschiebung des Zwischenpulses. Theoretische Modelle der Form des Strahlungspulses von Neutronensternen zeigen, dass der Neigungswinkel der magnetischen Achse gegen die Rotationsachse über den Abstand zwischen Haupt- und Zwischenpuls entscheidet. „Wir interpretieren unsere Beobachtungen daher als Zunahme dieses Neigungswinkels“, so die Forscher. Demnach wandern die magnetischen Pole langsam in Richtung Äquator des Neutronensterns.

Neutronensterne sind extrem dichte Überreste massereicher Sterne, die am Ende ihres Lebens als Supernova vergehen. Bei dieser Explosion stoßen die Sterne ihre Außenschichten ins Weltall ab, während ihr Kern kollabiert. Im so entstehenden Neutronenstern ist die Dichte so groß wie in Atomkernen. In Richtung ihrer magnetischen Pole senden schnell rotierende Neutronensterne Strahlung ab. Da die Richtung des Magnetfelds nicht mit der Rotationsachse übereinstimmt, streicht der Strahlungskegel wie der Strahl eines Leuchtturms durchs All. Trifft der Strahlungskegel dabei regelmäßig auf die Erde, so ist der Neutronenstern als Pulsar sichtbar.

Durch die Wechselwirkung des Magnetfelds mit dem Gas in der Umgebung des Neutronensterns sollte die Rotation langsam abbremsen. Der Pulsar im Krebsnebel zeigt jedoch eine Abbremsung, die um rund 15 Prozent hinter den Vorhersagen der Theorie zurückbleibt. „Die beobachtete Abbremsung lässt sich erklären, wenn die Neigung zwischen Magnetfeld und Rotationsachse um 0,6 Grad pro Jahrhundert zunimmt“, so Lyne und sein Team. „Dieser Wert liegt bemerkenswert nahe an der Änderung um 0,62 Grad, die wir zur Erklärung der Pulsänderung benötigen.“

Bildquelle: Oona Räisänen / Jm smits