In 300 Kilometern Höhe ist es 100 Grad kälter als erwartet

Leiden (Niederlande) - Die Klimamodelle für Titan müssen überarbeitet werden: Über dem Südpol des Saturnmonds, in einer Höhe von 300 Kilometern, ist es 100 Grad kälter als von den Forschern erwartet. Das zeigen Messungen der amerikanischen Raumsonde Cassini. Für die Wissenschaftler unerwartet hat sich über dem Südpol eine große Wolke gebildet, deren chemische Zusammensetzung sich nur durch einen rapiden Kälteeinbruch erklären lässt. Offenbar sei die Abkühlung an den Polen im Winter sehr viel effektiver als bislang vermutet, so das Cassini-Team im Fachblatt „Nature“.

„Die Atmosphäre Titans verändert sich derzeit rasant“, erläutern Remco de Kok von der Sternwarte Leiden in den Niederlanden und seine Kollegen. Ursache dafür sind jahreszeitliche Veränderungen: Auf der Nordhalbkugel brach 2009 der Frühling, entsprechend auf der Südhalbkugel der Herbst an. Allerdings dauern die Jahreszeiten bei einer Umlaufzeit des Saturnsystems um die Sonne von 30 Jahren entsprechend länger als auf der Erde. Frühere Beobachtungen hatten eher auf eine Erwärmung in großen Höhen über den Polen zum Winter hingedeutet. Die Messungen von Cassini zeigen nun jedoch das Gegenteil.

Im Mai 2012 entdeckten die Forscher auf von der Sonde aufgenommenen Bildern erstmals eine große Wolke in einer Höhe von 300 Kilometern über dem Südpol des Saturnmonds. „Vorher hatten wir dort ein Maximum in der Temperatur beobachtet“, so de Kok und seine Kollegen, „für keines der Gase in der Atmosphäre war daher mit einer Kondensation zu rechnen.“ Und doch war die Wolke da. Die Detektoren von Cassini entlarvten die Ursache: mikrometergroße Partikel aus gefrorenem Cyanwasserstoff HCN. Solche Teilchen können sich, so die Wissenschaftler, dort nur bei extrem niedrigen Temperaturen bilden.

Die Temperatur müsse in dieser Region etwa 100 Grad kühler sein als erwartet. Das sei, so die Forscher, eine Herausforderung für die derzeitigen Modelle der jahreszeitlichen Veränderungen in der Atmosphäre des Saturnmonds. De Kok und seine Kollegen vermuten, dass Abkühlung durch Strahlung eine deutlich größere Rolle spielt als bislang angenommen.

Bildquelle: Nasa / JPL / Caltech