Möglicherweise entstehen alle Sterne als Doppelsysteme

Heidelberg / Berkeley (USA) - Sterne entstehen nicht als Einzelgänger: Bei ihrer Geburt bilden sie stets Doppelsysteme. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherduo aus den USA und Deutschland auf Basis einer statistischen Untersuchung der jungen Sterne in der 600 Lichtjahre entfernten Perseus-Molekülwolke. Demnach besaß auch unsere Sonne bei ihrer Entstehung vor 4,5 Milliarden Jahren einen Geschwisterstern, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“.

„Mit unseren statistischen Modellen haben wir versucht, die beobachteten Häufigkeiten und Abstände von jungen Einzel- und Doppelsternen in der Perseus-Molekülwolke zu reproduzieren“, erläutert Steven Stahler von der University of California in Berkeley. „Das einzige Modell, das die richtigen Ergebnisse lieferte, war eins, bei dem alle Sterne zunächst als weite Doppelsysteme entstanden sind. Diese Systeme sind im Verlauf von rund einer Million Jahren entweder zu engeren Doppelsternen geworden oder zu Einzelsternen auseinandergefallen.“

Sterne entstehen, wenn sich große Gaswolken durch ihre Massenanziehung zusammenziehen. Durch den Zerfall der Wolke in einzelne Fragmente, die separat kollabieren, entstehen aus einer Wolke viele Sterne. Computersimulationen dieses Vorgangs beispielsweise durch Pavel Kroupa von der Universität Bonn deuteten in den vergangenen Jahren bereits darauf hin, dass sich dabei zunächst stets Doppelsysteme bilden, von denen ein Teil später wieder zerfällt. Doch bislang gab es keine Bestätigung dieser Vermutung durch direkte Beobachtungen.

Deshalb haben Stahler und seine Kollegin Sarah Sadavoy vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg und dem Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in den USA die Sternentstehungsregion in der Perseus-Region mit den Radioteleskopen des Very Large Array in New Mexico und Beobachtungen im Submillimeter-Bereich mit dem James Clerk Maxwell Telescope auf Hawaii genau unter die Lupe genommen. Allerdings sei die Perseus-Molekülwolke „eine Region, die typisch ist für die Entstehung von Sternen mit geringer Masse“, so die beiden Forscher. Deshalb müsse das Ergebnis jetzt an anderen Sternentstehungsregionen überprüft werden, um sicher zu gehen, dass es für alle Sternmassen gelte.

Wenn das Modell von Stahler und Sadavoy korrekt ist, müsste also auch unsere Sonne als weiter Doppelstern entstanden sein. Unter „weit“ verstehen die Astronomen dabei Abstände von über 500 Astronomischen Einheiten – das entspricht dem 17-fachen Abstand des Planeten Neptun von der Sonne. Da der Geschwisterstern sich bereits in der Entstehungsphase von der Sonne abgelöst hat, haben die Forscher keine Hoffnung, dass er sich heute noch im Gewimmel der Sterne in unserer Nachbarschaft identifizieren lässt.

Bildquelle: NASA/ESA/J. Muzerolle, STScI