Astronomen beobachten erstmals Umgebung zweier supermassereicher Schwarzer Löcher auf Kollisionskurs

Einem internationalen Forscherteam ist es erstmals gelungen, die Umgebung von zwei auf Kollisionskurs befindlichen supermassereichen Schwarzen Löcher mit hoher Auflösung zu beobachten. Dabei zeigte sich zur Überraschung der Astronomen, dass sich von außen auf die Schwarzen Löcher zuströmendes Gas nicht in einer Scheibe ansammelt, sondern chaotische Strömungen bildet. Die Beobachtung dieser Prozesse könne künftig wichtige Informationen zur Entwicklung von Galaxien in der kosmischen Geschichte liefern, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Astrophysical Journal“.

Das 400 Millionen Lichtjahre entfernte Sternsystem NGC 6240 besitzt eine ungewöhnlich unregelmäßige Form: Sie besteht ursprünglich aus zwei Galaxien, die seit Millionen von Jahren miteinander verschmelzen. Da jede der Galaxien in ihrem Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch besitzt, nähern sich im Laufe der Verschmelzung auch diese Schwarzen Löcher einander an und kollidieren schließlich miteinander. Solche Verschmelzungen spielen eine wichtige Rolle bei der Entwicklung der Galaxien. Doch wie genau die Annäherung der Schwarzen Löcher im Detail verläuft und welchen Einfluss sie auf die ihre Umgebung hat, ist bislang nicht bekannt.

„Der Schlüssel zum Verständnis einer solchen Galaxie ist das Gas“, erklärt Ezequiel Treister von der Universität Santiago in Chile. „Denn dieses Gas ist für die Entstehung neuer Sterne nötig. Es strömt aber auch in die Schwarzen Löcher und erlaubt ihnen, anzuwachsen.“ Um die Bewegung des Gases in der Umgebung der Schwarzen Löcher zu beobachten, nutzen Treister und seine Kollegen ALMA, das Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, eine aus insgesamt 66 Antennen mit sieben bis zwölf Metern Durchmesser bestehende Teleskopanlage auf dem 5000 Meter hohen Chajnantor-Plateau in der Atacamawüste in den nordchilenischen Anden.

„Unsere neuen ALMA-Aufnahmen zeigen erstmals, wie viel Gas sich im Einflussbereich der Schwarzen Löcher befindet“, sagt Anne Medling von der University of Toledo in den USA. Und das ist mit etwa neun Milliarden Sonnenmassen erheblich mehr als zuvor angenommen. Damit müssen die Forscher die Abschätzungen der Masse der Schwarzen Löcher von bislang einer Milliarde auf einige hundert Millionen Sonnenmassen nach unten korrigieren. „Wir vermuten daher, dass die bisherigen Massen-Schätzungen bei ähnlichen Systemen ebenfalls deutlich zu hoch sind“, so Medling.

Überraschend für die Astronomen ist auch die Bewegung des Gases in der Umgebung der Schwarzen Löcher. Statt der erwarteten rotierenden Scheibe stießen die Forscher auf chaotische Strömungen, Filamente und Blasen. „Ein Teil des Gases wird sogar mit Geschwindigkeiten von bis zu 500 Kilometern pro Sekunde nach außen katapultiert“, stellt Treister fest. „Wir wissen bislang nicht, was diese Strömungen verursacht.“ Sie könnten aber eine wichtige Rolle bei der Sternentstehung in dem verschmelzenden Sternsystem spielen. Solche detaillierten Beobachtungen können daher neue Einblicke in die Prozesse während der Verschmelzung von Galaxien geben.

Bildquelle: ALMA/ESO/NRAO