Astronomen beobachten erstmals Gammastrahlung von einer Nova

Am 8. August registrierten Astronomen auf dem 7500 Lichtjahre entfernten Stern RS Ophiuchi eine thermonukleare Explosion – sogar mit bloßen Augen war im Sternbild Schlangenträger das Aufleuchten des Sterns als „Nova“ zu erkennen. Mithilfe der Teleskopanlange H.E.S.S. in Namibia und dem Satelliten-Observatorium Fermi gelang es einem internationalen Forscherteam erstmals, bei einer solchen Sternexplosion auch hochenergetische Gammastrahlung nachweisen. Offenbar führe der Nova-Ausbruch zu einer enormen Beschleunigung elektrisch geladener Teilchen in der Umgebung, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

RS Ophiuchi ist ein Doppelsystem aus einem Weißen Zwergstern und einem Roten Riesenstern, die sich etwa im anderthalbfachen Abstand Erde-Sonne umkreisen. Wenn Sterne ähnlich unserer Sonne ihren nuklearen Energievorrat verbraucht haben, blähen sie sich zunächst zu einem Roten Riesen auf und fallen dann zu einem Weißen Zwerg zusammen – einem kompakten, nur noch etwa erdgroßen Stern, der langsam abkühlt.

In einem Doppelsystem wie RS Ophiuchi strömt ständig Materie – vor allem Wasserstoff – aus der Atmosphäre des Roten Riesen auf den Weißen Zwerg herab. Hat sich dort genug Wasserstoff angesammelt, kommt es ähnlich wie bei einer Wasserstoff-Bombe zu einer thermonuklearen Explosion, bei der Wasserstoff in Helium umgewandelt wird. Einen solchen Nova-Ausbruch haben Astronomen erstmals 1898 bei RS Ophiuchi beobachtet. Der Ausbruch vom 8. August 2021 war bereits die neunte Explosion, die von den Wissenschaftler bei diesem Stern verzeichnet wurde.

Da die Astronomen seit längerem mit einem neuen Nova-Ausbruch bei RS Ophiuchi rechneten, waren sie vorbereitet: Bereits einen Tag später richteten sie die Antennen der Teleskop-Anlage H.E.S.S. auf die entsprechende Himmelsregion. Mit H.E.S.S. können die Forscher Strahlung auffangen, die von hochenergetischer Gammastrahlung in der Erdatmosphäre ausgelöst wird. Das Team hatte Erfolg: Erstmals gelang der Nachweis derart hochenergetischer Strahlung von einer Nova.

Einen ganzen Monat lang beobachteten die Astronomen die Gammastrahlung, die zunächst stetig anwuchs, ein Maximum erreichte und schließlich wieder abebbte. Weitere Daten lieferte der mit Detektoren für Gammastrahlung ausgestattete Satellit Fermi der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Anhand der gesammelten Daten über den zeitlichen Verlauf und die energetische Verteilung der Gammastrahlung konnten die Forscher dann Rückschlüsse auf die physikalischen Vorgänge in der Umgebung der Nova ziehen.

„Das wahrscheinlichste Szenario ist, dass Protonen und Atomkerne an der sich ausdehnenden Stoßwelle der Explosion stark beschleunigt werden“, sagt Brian Reville vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. „Diese Teilchen kollidieren dann mit komprimiertem Material des Sternwinds, den der Rote Riese ins All bläst. Und das setzt Gammastrahlung frei.“ Reville hat maßgeblich an den zur Interpretation der Daten erforderlichen Modellrechnungen mitgewirkt.

Das bedeute, so der Astrophysiker weiter, dass derartige Nova-Ausbrüche effiziente kosmische Beschleuniger sind, die Teilchen bis zu Energien am theoretischen Maximum bringen und so ihre Umgebung mit einer großen Menge an hochenergetischen Teilchen überschütten. Damit leisten sie einen erheblichen Beitrag zur kosmischen Strahlung in der Umgebung einer Nova. Und das ist für die Astronomen eine Überraschung: Bislang galten lediglich Supernovae – weitaus heftigere Explosionen von Sternen – als derart effektive Teilchenbeschleuniger.

Bildquelle: DESY / H.E.S.S. / Science Communication Lab