Der erste bemannte Raumflug von amerikanischem Boden seit 2011 steht bevor

In ferner Zukunft könnte das Jahr 2020 für ein von Menschen besiedeltes Sonnensystem eine ähnliche Bedeutung haben wie das Jahr 1620 für die USA. Damals trafen die überwiegend aus England stammenden „Pilgerväter“ mit der Mayflower in Nordamerika ein, um dort ein neues Leben zu beginnen. Und heute, 400 Jahre später, starten von amerikanischem Boden Menschen in den Weltraum. So wenig die Pilgerväter die ersten Europäer waren, die sich in Amerika niederließen, so wenig sind die Nasa-Astronauten Doug Hurley and Bob Behnken die ersten Menschen im All. Doch wie die Pilgerväter sind Hurley und Behnken Pioniere: Die Siedlungsgründung der Pilgerväter wird oft als erster Schritt auf dem Weg zur Gründung der Vereinigten Staaten angesehen. Und der Flug von Hurley und Behnken könnte als der erste Schritt zur Besiedelung des Sonnensystems in die Geschichtsbücher eingehen, als Beginn der Transformation der Menschheit zu einer interplanetarischen Spezies.

Denn der ursprünglich für den 27. Mai geplante, inzwischen aufgrund schlechter Wetterverhältnisse auf den 30. Mai verschobene Start ist gleich in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes: Es ist der erste bemannte Raumflug von amerikanischem Boden seit 2011 – nahezu ein Jahrzehnt lang waren die USA auf teure Mitfluggelegenheiten in russischen Sojus-Raketen angewiesen. Außerdem ist es der erste bemannte Raumflug in die Erdumlaufbahn mit einem von einem Privatunternehmen gebauten Raumfahrzeug. Sowohl die Trägerrakete Falcon-9 als auch die Dragon-Raumkapsel stammen von SpaceX. Und sowohl Rakete als auch Kapsel sind wiederverwendbar. Es ist diese Wiederverwendbarkeit, die für die Menschheit jetzt endlich das Tor ins All aufstoßen könnte, da es Reisen ins Weltall in einem Maße erschwinglich macht, das noch vor zehn Jahren unmöglich erschien.

Es ist nicht der erste Versuch, die Tür ins All aufzustoßen, Schon vor 60 Jahren schien es, als stünde der Aufbruch der Menschheit ins All – zum Mond, zum Mars und in die Tiefen des Sonnensystems – unmittelbar bevor. In den 1960er Jahren lieferten sich die USA und die Sowjetunion einen rasanten Wettlauf um die Dominanz im Weltall, angetrieben nicht zuletzt von nach dem zweiten Weltkrieg von den Siegermächten angeworbenen Raketenwissenschaftlern aus Deutschland. Zunächst hatte die Sowjetunion die Nase vorn – 1957 umkreiste Sputnik als erster Satellit, 1961 Juri Gagarin als erster Mensch die Erde. Doch mit ihren ehrgeizigen Gemini- und Apollo-Programmen holten die USA rasch auf: Im Juli 1969 betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond.

Damit schien die Tür ins All weit offen: Der damalige Leiter des Apollo-Mondprogramms, der deutsche Weltraum-Visionär Wernher von Braun, entwickelte bereits Pläne für gewaltige Raumstationen in der Erdumlaufbahnen, für dauerhaft bewohnte Stationen auf dem Mond und für bemannte Flüge zum Mars. Doch es kam ganz anders. Das Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit an weiteren Mondlandungen sank rapide, das Apollo-Programms geriet aufgrund seiner immensen Kosten auch politisch in die Kritik – und wurde vom damaligen US-Präsidenten Richard Nixon schließlich vorzeitig beendet.

Um der Kostenfalle zu entgehen, begann die amerikanischen Raumfahrtbehörde mit der Entwicklung eines wiederverwendbaren Weltraum-Flugzeugs. Doch das Space Shuttle erwies sich als Fiasko: Eine Raumfähre explodierte beim Start, eine weitere verglühte beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre. Zudem kostete jeder Flug im Mittel 2,25 Milliarden US-Dollar – gegenüber etwa 420 Millionen Dollar pro Apollo-Mission. Und statt zum Mond flogen die Shuttles lediglich in erdnahe Umlaufbahnen, meistens zur Internationalen Raumstation ISS.

Bildquelle: SpaceX