Gesteinsproben der chinesischen Sonde Chang’e-5 datieren Entstehung des Ozeans der Stürme

Noch bis vor zwei Milliarden Jahren war der Oceanus Procellarum – der Ozean der Stürme – auf dem Mond ein riesiger Lavasee. Das zeigt die Untersuchung von Gesteinsproben, die von der chinesischen Sonde Chang’e-5 im Dezember 2020 zur Erde zurückgebracht worden waren, durch ein internationales Forscherteam. Damit gab es eine Milliarde Jahre länger als bislang auf Basis der Apollo-Mondproben angenommen vulkanische Aktivität auf dem Erdtrabanten. Warum dieser Lavasee so lange erhalten blieb, sei allerdings noch unklar, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Es gibt keinerlei Hinweise auf radioaktive Elemente im Mantel des Mondes, die ausreichend Hitze hätten produzieren können, um die Lava zu erzeugen“, schreiben Xiaochao Che von der Chinesischen Akademie für Geowissenschaften in Beijing und seine Kollegen. „Deshalb müssen wir nach alternativen Erklärungen für die Langlebigkeit des lunaren Lavas suchen.“ Zwar könne auch der Einschlag eines größeren Asteroiden einen Lavasee produzieren – doch im Bereich des Oceanus Procellarum fehlen die bei anderen Einschlagbecken vorhandenen Merkmale wie Auswurfmaterial oder Schwerkraft-Anomalien, so die Forscher.

Als mögliche Erklärung favorisieren Che und seine Kollegen deshalb eine Aufheizung durch Gezeitenreibung. Denn der Mond war vor zwei Milliarden Jahren noch näher an der Erde als heute – etwa um ein Drittel oder ein Viertel, schätzt Team-Mitglied Alexander Nemchin von der Curtin University in Australien. „Natürlich würde die Gezeitenreibung überall auf dem Mond wirken“ so der Forscher. „Aber es gibt Regionen, in denen durch die chemische Zusammensetzung die Schmelztemperatur niedriger liegt.“ Eine solche Region könnte der Ozean der Stürme möglicherweise sein.

Chang’e-5 war am 20. November 2020 gestartet und am 1. Dezember auf dem Erdtrabanten gelandet. Bereits zwei Tage später startete die Sonde mit 1731 Gramm Bodenproben zurück zur Erde – es handelte sich um die erste derartige Mission seit 1976 die sowjetische Sonde Luna-24 170 Gramm Mondgestein zur Erde brachte. Der Ozean der Stürme ist mit einer Ausdehnung von 2500 Kilometern das größte der „Meere“ genannten dunklen Lavaebenen auf dem Mond. Doch bislang war unklar, wie alt dieses Gebiet ist – die Vermutungen schwankten zwischen 1,2 und 3,2 Milliarden Jahren.

Das genaue Alter des Oceanus Procellarum ist jedoch für die Mond- und Planetenforscher von großer Bedeutung – denn es ermöglicht eine Eichung der Altersbestimmung durch Kraterzählungen. „Je mehr Krater eine Oberfläche aufweist, desto älter ist sie“, erklärt Team-Mitglied Brad Jolliff von der Washington University in den USA. „Aber um das absolute Alter zu bestimmen, benötigen wir Gesteinsproben.“ Und hier klaffte bislang eine große Lücke: Die bisherigen vulkanischen Gesteinsproben waren alle älter als drei Milliarden Jahren. Und Gesteinsproben von Einschlagkratern waren jünger als eine Milliarde Jahre.

Diese Lücke konnten die Forscher nun mit dem auf zwei Milliarden Jahre bestimmten Alter des Oceanus Procellarum schließen. Damit lässt sich künftig das Alter der Landschaften nicht nur auf dem Mond, sondern beispielsweise auch auf den Planeten Merkur und Mars genauer als bisher bestimmen.

Bildquelle: Chinese National Space Agency’s (CNSA) Lunar Exploration and Space Engineering Center