Schon vor knapp elf Milliarden Jahren gab es eine Spiralgalaxie – vermutlich führte die Verschmelzung mit einer Zwerggalaxie kurzzeitig zur Entstehung der Spiralstruktur

Toronto (Kanada) / Los Angeles (USA)Bei einer systematischen Untersuchung von Galaxien im jungen Kosmos mit dem Weltraumteleskop Hubble haben kanadische und US-amerikanische Astronomen einen überraschenden Fund gemacht: ein große Spiralgalaxie ähnlich unserer Milchstraße oder der Andromeda-Galaxie. In der Frühzeit des Universums – rund drei Milliarden Jahre nach dem Urknall – sollte es noch keine Spiralgalaxien geben, so die Forscher im Fachblatt „Nature“. Die Wissenschaftler vermuten, dass die Verschmelzung mit einer kleineren Zwerggalaxie zur Entstehung der Spiralstruktur geführt hat.

“Die Tatsache, dass es diese Galaxie gibt, ist erstaunlich“, sagt Projektleiter David Law von der University of Toronto. „Unser gegenwärtiger Wissensstand ist, dass es so früh noch keine großen Spiralgalaxien gab.“ Und seine Kollegin Alice Shapley von der University of California in Los Angeles ergänzt: „Von 306 untersuchten Galaxien sieht nur diese eine wie eine Spirale aus.“ Tatsächlich ist BX442, so die Katalogbezeichnung des Objekts, bislang die einzige bestätigte Spiralgalaxie mit einem Alter größer als zehn Milliarden Jahre.

Der Blick in große Entfernungen ist zugleich auch ein Blick in die Vergangenheit des Universums. Das Licht von BX442 benötigt 10,7 Milliarden Jahre zu uns – entsprechend sehen die Astronomen das Objekt heute so, wie es von 10,7 Milliarden Jahren aussah. Während es im heutigen Kosmos viele große Spiralgalaxien gibt, dominieren im jungen Kosmos unregelmäßig geformte Sternsysteme. „Warum also sieht diese Galaxie so anders aus?“, fragt Shapley.

Um diese Frage zu beantworten, haben die Astronomen BX442 mit dem Keck-Teleskop auf Hawaii genau untersucht. Zunächst einmal bestätigten die Messungen, dass es sich tatsächlich um eine rotierende, scheibenförmige Spiralgalaxie handelt und nicht etwa um eine optische Täuschung durch die Überlagerung zweier Galaxien. Außerdem zeigten die Keck-Beobachtungen eine kleine Zwerggalaxie, die vermutlich gerade mit dem größeren System verschmilzt. Ein solcher Vorgang kann, wie numerische Simulationen des Teams bestätigen, zur Herausbildung einer Spiralstruktur führen. Jedoch nur für eine – astronomisch gesehen – kurze Zeit: Die Astronomen schätzen, dass die Form etwa für einen Zeitraum von 100 Millionen Jahren sichtbar ist. Es gibt also im jungen Kosmos nur ein schmales Zeitfenster, um solche Spiralgalaxien zu beobachten – und damit erklärt sich die Seltenheit derartiger Objekte zu dieser kosmischen Epoche.

Bildquelle: Dunlap Institute for Astronomy & Astrophysics