Europäische Sonde macht sich auf eine achtjährige Reise zum Jupiter

Am 13. April macht sich die bisher aufwändigste Planetensonde der europäischen Weltraumorganisation Esa auf den Weg zu Jupiter, dem größten Planeten unseres Sonnensystems. JUICE haben die Forscher das Raumfahrzeug getauft, die Abkürzung steht für „Jupiter Icy Moons Explorer“ – Erforscher der eisigen Monde des Jupiter. Denn neben dem Königsplaneten selbst stehen die drei großen Monde Ganymed, Kallisto und Europa im Fokus der Mission. Alle drei sind von einem dicken Panzer aus Eis bedeckt, unter denen die Wissenschaftler gewaltige Ozeane aus flüssigem Wasser vermuten.

Könnte auch dort Leben entstanden sein? Natürlich treibt nicht zuletzt diese große Frage die Forscher an. Denn flüssiges Wasser gilt als Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben – und auf der Erde haben sich erste einfache Lebensformen möglicherwiese in den Tiefen der Ozeane gebildet. Mit insgesamt elf wissenschaftlichen Instrumenten – Kameras, Spektrometer, Radar- und Laser-Sensoren – soll JUICE nicht nur untersuchen, ob es tatsächlich Ozeane unter den Eispanzern der Monde gibt, sondern auch Erkenntnisse darüber liefern, ob die Umgebungen dort überhaupt lebensfreundlich sind.

Bis JUICE die ersten Daten und Bilder aus dem Jupiter-System zur Erde funkt, müssen sich die Forscher allerdings gedulden. Denn der Flug der Sonde gleicht einer kosmischen Achterbahnfahrt und dauert insgesamt acht Jahre. Mit einer ganzen Serie von „Swing-by“-Manövern holt JUICE sich den nötigen Schwung, um das innere Sonnensystem gegen die starke Schwerkraft der Sonne zu verlassen.

So passiert die Sonde im August 2024 zunächst den irdischen Mond im engen Abstand von nur 750 Kilometern und 36 Stunden später die Erde. Dieses Manöver lenkt JUICE Richtung Venus, an der das Raumfahrzeug im August 2025 vorbeisaust – und wieder Richtung Erde abgelenkt wird. Noch zwei Mal, im September 2026 und im Januar 2029 passiert JUICE ihren Heimatplaneten, dann reicht der Schwung endlich für den finalen Flug zum Jupiter aus. Im Juli 2031 schwenkt die Sonde dann endlich in eine Umlaufbahn um den Riesenplaneten ein.

Um diese weite Reise zu überstehen – und auch unter den extremen Bedingungen in der Umgebung von Jupiter zu funktionieren – bedarf JUICE einer aufwändigen Ausstattung. So muss die Sonde bei ihrem Rendezvous mit der sonnennahen Venus Temperaturen von bis zu 250 Grad Celsius ertragen – während sie beim sonnenfernen Jupiter auf bis zu minus 230 Grad abkühlen kann. Diese extremen Unterschiede erfordern nicht nur eine aus vielen Schichten bestehende Isolierung, sondern auch ein ausgeklügeltes System zur Abkühlung und Erwärmung der Instrumente im Inneren der Sonde.

Schwierig ist auch die Energieversorgung, denn Jupiter ist fünf Mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde – entsprechend ist die Strahlung der Sonne dort 25-mal schwächer. JUICE ist mit zehn Solarpaneelen mit einer Gesamtfläche von 85 Quadratmetern ausgestattet, die 700 bis 900 Watt an elektrischer Leistung liefern. Und da die Sonde ab und an den Schatten eines Planeten oder Mondes durchquert, sichert in dieser Zeit ein Akku für einen Zeitraum von bis zu fünf Stunden die Energieversorgung.

Nach dem erfolgreichen Einschwenken in eine Umlaufbahn um Jupiter steht JUICE vor einer ganzen Reihe weiterer Herausforderungen. Denn Jupiter ist tatsächlich der König des Sonnensystems. Sein Äquatordurchmesser ist mit 143.000 Kilometern knapp elfeinhalb Mal so groß wie jener der Erde. Die Masse unseres Heimatplaneten übertrifft der Gigant sogar um das 318-fache – damit enthält Jupiter mehr als doppelt so viel Materie wie alle anderen Planeten im Sonnensystem zusammen. Dank dieser großen Masse ist er der einzige Planet, dessen gemeinsamer Schwerpunkt mit der Sonne leicht außerhalb der Sonne liegt. Anders ausgedrückt: Der Königsplanet lässt sogar unsere Sonne torkeln.

Jupiter ist ein Gasplanet, der Hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium besteht. Dieses Gas verhält sich mit zunehmender Tiefe und damit steigendem Druck ausgesprochen seltsam: Es gibt keine Grenze, an der das Gas in eine Flüssigkeit übergehen würde. Physiker nennen dieses Verhalten „überkritisch“ – der Unterschied zwischen gasförmig und flüssig verwischt sich und es gibt daher keine Oberfläche des Planeten.

Tief im Inneren von Jupiter vermuten Forscher zwar einen festen Kern aus Gestein, doch dessen Existenz konnte durch bisherige Sonden nicht bestätigt werden. Vielleicht liefert JUICE hierzu neue Erkenntnisse. Sicher ist allerdings, dass der Druck tief im Inneren von Jupiter schließlich so groß wird, dass der Wasserstoff eine weitere überraschende Eigenschaft zeigt: Er wird zu einem elektrischen Leiter. Vermutlich fließen dort starke elektrische Ströme, die wiederum das starke Magnetfeld des Planeten erzeugen. Es ist zehn- bis zwanzigmal so stark wie das Erdmagnetfeld und ragt viele Millionen Kilometer weit ins All hinaus.

Dieses Magnetfeld fängt ständig geladene Teilchen – Elektronen, Protonen und elektrisch geladene Atome – ein. Deshalb ist Jupiter vom stärksten Strahlungsgürtel des Sonnensystems umgeben. Die Teilchen stammen nicht nur – wie beim schwächeren Strahlungsgürtel der Erde – vom Sonnenwind. Zusätzlich liefert auch der Jupitermond Io einen gewaltigen Nachschub an Atomen. Denn auf Io gibt es eine große Zahl von aktiven Vulkanen, die Materie bis weit ins Weltall hinaus ausstoßen.

„Das Magnetfeld beschleunigt die Teilchen und macht sie zu kleinen geladenen Geschossen“, erklärt Heike Rauer vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR. So muss JUICE auch vor diesen Geschossen durch zahlreiche Maßnahmen geschützt werden, da sie zu Schäden an den empfindlichen Instrumenten führen könnten.

Da auch die Eismonde Jupiters dieser starken Teilchenstrahlung ausgesetzt sind, erscheint es zunächst paradox, dass die Forscher dort eine Möglichkeit für die Existenz von außerirdischem Leben sehen. Tatsächlich wären die energiereichen Partikel-Geschosse für jedes Lebewesen an der Oberfläche der Monde tödlich. Doch wenn die Strahlung in die Eisschichten eindringt, kann sie dort chemische Reaktionen auslösen – die dann wiederum als Energiequelle für Lebewesen in einem lichtlosen Ozean unter dem Eispanzen dienen könnte.

„Durch die gesammelten Daten früherer Missionen und aus Beobachtungen von der Erde aus existieren viele Vermutungen und Berechnungen zur Existenz von Leben auf Jupiters Monden, erklärt Wojciech Hajdas vom Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz. „Mit JUICE sind wir in der Lage, das komplexe Jupitersystem besser zu verstehen. Es geht nicht darum, Leben zu finden, sondern darum, die Umgebung besser zu verstehen, um vielleicht auf einen möglichen oder unmöglichen Lebensraum zu schließen.“

Dabei soll beispielsweise das am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen entwickelte und gebaute „Submillimeter Wave Instrument“ helfen. Mit diesem Gerät können die Forscher die dünne Atmosphäre der Eismonde analysieren – und so auch Rückschlüsse auf Prozesse in der Eisschicht ziehen. Insgesamt ist Deutschland mit 21 Prozent an der 1,6 Milliarden Euro teuren Mission beteiligt. Zusätzlich flossen etwa 100 Millionen Euro in die deutschen Beiträge zu sieben der insgesamt elf wissenschaftlichen Instrumente von JUICE.

Von Juli 2031 bis November 2034 sind insgesamt 35 nahe Vorbeiflüge an den Eismonden geplant. Und dann wird es noch einmal richtig spannend: Erstmalig in der Raumfahrtgeschichte soll eine Raumsonde in eine Umlaufbahn um den Mond eines anderen Planeten einschwenken. „Mit einem von uns entwickelten Laser-Höhenmesser soll die Verformung der Eiskruste von Ganymed über Monate hinweg gemessen werden“, sagt Anke Kaysser-Pyzalla vom DLR. „Aus der Höhe der Verformung können wir dann darauf schließen, ob es einen Ozean aus flüssigem Wasser unter der Eiskruste gibt und wie dick die Kruste ist.“

JUICE soll Ganymed zunächst in einem Abstand von 5000 Kilometern umrunden, später wird er Orbit sogar auf 500 Kilometer abgesenkt. Ende 2035 geht die ambitionierte Mission dann mit einem geplanten Absturz auf dem Eismond zu Ende.

Bildquelle: ESA