Verbesserte Modellrechnungen sagen die Existenz ausreichend vieler schnell rotierender Neutronensterne voraus

Im Jahr 2008 stießen Astronomen bei Beobachtungen mit dem internationalen Satelliten-Observatorium Fermi auf rätselhafte Gammastrahlung aus der „Bulge“ genannten zentralen Verdickung unserer Milchstraße. Seither suchen die Himmelsforscher nach einer Erklärung für dieses Gamma-Glühen. Entsteht es durch den Zerfall von Teilchen der rätselhaften Dunklen Materie? Jetzt konnte ein internationales Forscherteam zeigen, dass es eine weniger spektakuläre Erklärung für das Phänomen gibt: Es handelt sich um Strahlung einer bei den bisherigen Erklärungsversuchen vernachlässigten Art von schnell rotierenden Neutronensternen. Damit ließen sich alle bislang rätselhaften Eigenschaften des Gamma-Glühens erklären, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“.

Unsere Milchstraße ist eine Spiralgalaxie – die meisten Sterne und das meiste Gas befinden sich in einer rotierenden Scheibe mit ausgeprägten Spiralarmen. Doch zum Zentrum hin verdickt sich die Scheibe. Aus diese „Bulge“ empfing Fermi diffus verteilte hochenergetische Gammastrahlung, deren Intensität vom Zentrum der Milchstraße nach außen in ähnlicher Weise abnimmt wie die Sterndichte. Von Anfang an favorisierten Astronomen daher zwei Erklärungen: Den Zerfall von Teilchen der Dunklen Materie – oder die Strahlung von Millisekunden-Pulsaren, also schnell rotierenden Neutronensternen mit starken Magnetfeldern.

Doch eine ganze Reihe von Modellrechnungen stießen immer wieder auf das gleiche Problem: Es schien zu wenig solcher Pulsare in der Bulge zu geben: Um das Gamma-Glühen zu erklären, müsste es dort 1000 solcher Pulsare geben, doch die Astronomen haben bislang gerade einmal 42 solcher Objekte in der Bulge gefunden. Außerdem sollten die Millisekunden-Pulsare auch eine andere Verteilung besitzen als die normalen Sterne der Bulge.

Doch wie Anuj Gautam von der Australian National University in Canberra und seine Kollegen jetzt zeigen konnten, wurde bei den bisherigen Modellrechnungen ein wichtiger Pfad zur Entstehung von Millisekunden-Pulsaren übersehen. Dabei strömt in einem Doppelsystem Materie von einem großen Stern auf einen Weißen Zwerg. Der Zustrom beschleunigt die Rotation des Weißen Zwergs und lässt seine Masse schließlich so sehr anwachsen, dass er unter seiner eigenen Anziehungskraft kollabiert – ein Millisekunden-Pulsar entsteht.

Gautam und seine Kollegen simulierten die Entwicklung von Doppelsternsystemen und erhielten so eine Vorhersage der Anzahl solcher „Akkretionsinduzierter-Kollaps-Pulsare“. Damit konnten die Forscher dann wiederum ausrechnen, wie viel Gammastrahlung diese Objekte erzeugen. „Das Ergebnis ist in guter Übereinstimmung mit dem beobachteten Gamma-Signal von Fermi“, sagt Gautams Kollege Roland Crocker. Beobachtungen mit dem derzeit geplanten Cherenkov Telescope Array – zwei große Antennen-Anlagen zum Nachweis von Gammastrahlung, eins auf der Nordhalbkugel auf La Palma, eines auf der Südhalbkugel in Chile – sollten in der Lage sein, einige dieser Pulsare aufzuspüren und so das Modell zu überprüfen, so die Forscher.

Bildquelle: NASA/DOE/Fermi LAT Collaboration and T. Linden (Univ. of Chicago)