Materie sollte sich zu einem Mond zusammenballen – tut es aber nicht
Wenn ein Ring zu weit ist, passt er nicht. Was für Schmuckstücke gilt, gilt auch für die Ringe von Himmelskörpern: Sie müssen eng anliegen. Jetzt jedoch hat ein internationales Forscherteam bei einem eisigen Objekt namens Quaoar jenseits der Neptunbahn einen Ring entdeckt, der so weit ist, dass er nicht existieren sollte. Aus den Bestandteilen des Ringes müsste sich, so die Theorie, ein Mond formen – doch das scheint nicht der Fall zu sein. Im Fachblatt „Nature“ präsentieren die Entdecker mehrere Hypothesen zur Erklärung des mysteriösen Rings.
Am bekanntesten sind die Ringe des Saturn, denn sie sind bereits in einem kleinen Fernrohr gut zu erkennen. Unscheinbarere Ringe besitzen Jupiter, Uranus und Neptun. Und auch bei einigen kleineren Objekten jenseits der Neptunbahn haben Astronomen Ringe nachgewiesen. Allen Ringen ist gemeinsam, dass sie sich innerhalb der „Roche-Grenze“ befinden. Diese Grenze beschreibt, ab wo die Gezeitenwirkung der Schwerkraft so stark ist, dass sich die Materie eines Rings nicht mehr zu einem Mond zusammenballen kann.
„Unsere Entdeckung deutet jedoch darauf hin, dass diese Grenze nicht in jedem Fall festlegt, bis wohin ein Ring überleben kann“, schreiben Bruno Morgado von der Universität Rio de Janeiro in Brasilien und seine Kollegen. Quaoar hat einen Durchmesser von 1110 Kilometern und seine Roche-Grenze liegt 1225 Kilometer über der Oberfläche des transneptunischen Objekts. Der Ring jedoch befindet sich 3545 Kilometer von der Oberfläche entfernt – also nicht nur knapp, sondern überraschend weit außerhalb der Roche-Grenze.
Damit sollte sich, so die Theorie, aus der Materie des Rings ein Mond bilden können. Ein naheliegender Erklärungsansatz ist daher, dass der Ring durch ein katastrophales Ereignis – etwa den Zusammenstoß zweier kleinerer Himmelskörper – entstanden ist und daraus künftig tatsächlich ein neuer Trabant von Quaoar entsteht. Das jedoch halten Morgado und seine Kollegen für unwahrscheinlich, da ein solcher Vorgang lediglich wenige Jahrzehnte dauern würde. Es wäre also ein großer Zufall, den Ring gerade in dieser kurzen Zeit zu entdecken.
Als zweite Erklärung bietet das Team die Möglichkeit an, dass das Material des Rings ungewöhnlich elastisch ist: Bei Zusammenstößen verbinden sich die Ringteilchen dann nicht, sondern prallen zumeist aneinander ab. Das würde die Bildung eines größeren Körpers dauerhaft verhindern. Bleibt die Frage, was dieses elastische Material sein soll – und warum man Ähnliches nicht bei anderen Himmelskörpern sieht.
Doch es gibt eine weitere Möglichkeit – und diese ist bereits von den Ringen des Saturn her bekannt. Denn der äußere F-Ring des Planeten befindet sich ebenfalls – wenn auch nur knapp – außerhalt der Roche-Grenze. Doch der Ring wird permanent von den Anziehungskräften zweier äußerer Monde des Saturn gestört, die so verhindern, dass sich aus dem F-Ring ein weiterer Trabant bildet. Ähnlich könnte es bei Quaoar sein. Tatsächlich besitzt Quaoar mit dem 80 Kilometer großen Weywot einen Begleiter. Doch dieser ist zu weit von dem Ring entfernt. Aber vielleicht verhindert ein weiterer, bislang unentdeckter Begleiter, dass sich aus dem Ring um Quaoar ein Himmelskörper bilden kann. Weitere Beobachtungen von Quaoar und seiner Umgebung müssen nun zeigen, welche dieser Erklärungen für den weiten Ring korrekt ist.
Bildquelle: NASA & G. Bacon (STScI)