Erste direkte Beobachtung einer Gravitationsinstabilität

Wie entstehen große Planeten in großer Entfernung von ihrem Stern? Auf diese Frage liefern Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams mit der Radioteleskop-Anlage ALMA in Chile jetzt eine Antwort. Es gelang den Astronomen erstmalig, eine „Gravitationsinstabilität“ in einer Scheibe aus Gas um einen jungen Stern direkt zu beobachten. Dabei verdichtet sich ein Teil des Gases unter dem Einfluss der eigenen Anziehungskraft und bildet so einen Protoplaneten, den Keim eines großen Gasplaneten, wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“ berichten.

„Die Standardtheorie für die Entstehung von Planeten geht davon aus, dass sie sich Schritt für Schritt durch den Zusammenstoß kleinerer Gesteinsbrocken bilden“, erläutern Jessica Speedie von der University of Victoria in Kanada und ihre Kollegen. So entsteht zunächst der Kern eines Planeten, der dann aufgrund seiner Schwerkraft große Mengen von Gas aus seiner Umgebung anzieht. Das Problem: In großer Entfernung von einem jungen Stern gibt es nicht genügend Gesteinsbrocken für dieses Szenario.

Seit langem diskutieren die Himmelsforscher daher ein alternatives Szenario, eben die Gravitationsinstabilität. Dabei kollabiert ein Teil der rotierenden Wolke aus Gas, die einen jungen Stern umgibt, direkt zu einem großen Gasplaneten. Bereits vor zwei Jahren stieß ein Forschungsteam in der Gasscheibe um den gerade einmal vier Millionen Jahren alten Stern AB Aurigae auf Hinweise auf diesen Prozess: Seltsame spiralförmige Strukturen, die erstaunlich jenen glichen, die sich in Computersimulationen von Gravitationsinstabilitäten zeigen.

Speedie und ihre Kollegen haben diese Spiralen jetzt mit ALMA, dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array, noch einmal detailliert untersucht. ALMA ist die auf die Beobachtung von dichten Gaswolken, in denen Sterne und Planeten entstehen, spezialisiert und liefert dem Team sehr genaue Informationen über die Bewegung des Gases in den spiralförmigen Strukturen in der Gasscheibe um AB Aurigae.

Das Ergebnis: Das Gas strömt in den Spiralen tatsächlich zusammen, kollabiert also zu Protoplaneten. „Die beobachtete Bewegung stimmt sehr gut mit den Vorhersagen von Simulationen und analytischen Modellen überein“, stellen die Wissenschaftler fest. Die Scheibe um AB Aurigae sei damit eine ideale Umgebung, um die unterschiedlichen Wege der Planetenentstehung detailliert zu beobachten.

Bildquelle: ESO/Boccaletti et al.