Neunzehn Observatorien beobachten gemeinsam das Zentrum der Galaxie M87

Das „Event Horizon Telescope“ EHT – ein weltweiter Verbund von Radioteleskopen – übertrifft die Erwartungen der Astronomen. Insbesondere in Kombination mit Beobachtungen in anderen Wellenlängen-Bereichen liefert das EHT einen detailreichen Einblick in die Umgebung des supermassereichen Schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie M87. Die jetzt der Wissenschaftlern in aller Welt verfügbar gemachten Daten können künftig nicht nur neue Erkenntnisse über die komplexen physikalischen Vorgänge beim Materieeinfall in das Schwarze Loch liefern. Wie die Forscher im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“ berichten, ermöglichen die Beobachtungen des EHT auch eine präzise Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie von Albert Einstein.

Das „Event Horizon Telescope“ kombiniert die Messungen von Radioantennen auf dem gesamten Globus miteinander und erreicht so das Auflösungsvermögen eines erdgroßen Teleskops. Im April 2019 sorgte das EHT für Schlagzeilen, als mit dem Teleskop-Verbund das erste „Foto“ eines supermassiven Schwarzen Lochs gelang. Das im Radiobereich aufgenommene Bild zeigt die heiße Materiescheibe um das 6,6 Milliarden Sonnenmassen große Schwarze Loch im Zentrum der 55 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie M87.

Eben dieses supermassereiche Schwarze Loch haben die Wissenschaftler anschließend nicht nur mit dem EHT, sondern vielen weiteren Teleskopen unter die Lupe genommen, die bei andern Wellenlängen beobachten: im Bereich des sichtbaren Lichts, der infraroten Strahlung, sowie der hochenergetischen Röntgen- und Gammastrahlung. Insgesamt waren an den Beobachtungen 19 Observatorien und fast 200 Forschungsinstitute mit 760 Wissenschaftlern und Ingenieuren beteiligt. Es ist die umfangreichste simultane Beobachtungskampagne, die jemals für ein supermassereiches Schwarzes Loch durchgeführt wurde.

„Dieser einzigartige Datensatz ist entscheidend für unser Verständnis der physikalischen Bedingungen in der unmittelbaren Umgebung eines der massereichsten Schwarzen Löcher in unserer kosmischen Nachbarschaft“, erläutert Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, das maßgeblich am EHT beteiligt ist. Schwarze Löcher ziehen mit ihrer gewaltigen Gravitation Materie aus ihrer Umgebung an, die sich in einer extrem schnell rotierenden Scheibe ansammelt und aufheizt. Von dort strömt aber nur ein Teil der Materie in das Schwarze Loch hinein.

Starke Magnetfelder sorgen dafür, dass Materie aus der rotierenden Scheibe in stark gebündelten Materiestrahlen – von den Astronomen „Jets“ genannt – mit nahezu Lichtgeschwindigkeit weit ins Weltall hinaus geschleudert wird. „Diese Jets schaffen es, die vom Schwarzen Loch freigesetzte Energie auf Skalen zu transportieren, die größer sind als die Wirtsgalaxie“, erklärt die am EHT beteiligte Astronomin Sera Markoff von der Universität Amsterdam. „Die erhaltenen Ergebnisse werden uns helfen, die Menge der transportierten Energie zu berechnen und den Effekt, den die Jets des Schwarzen Lochs auf seine Umgebung ausüben.“

Mit der heutigen Veröffentlichung geben die Wissenschaftler des EHT-Verbunds den riesigen Datensatz ihrer Beobachtungen des Zentrums von M87 frei. Damit kann jeder interessierte Astrophysiker die Daten selbst analysieren und für eigenen Forschungen nutzen. Viele Forschungsgruppen in aller Welt arbeiten auf Hochtouren, um zu sehen, ob ihre Modelle mit dem reichhaltigen Beobachtungsschatz des EHT übereinstimmen. Außerdem planen einige Wissenschaftler die Durchführung hoch präzise Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie mit den Daten. Unterdessen gehen die Beobachtungen mit dem „Event Horizon Telescope“ weiter: Noch in dieser Woche nehmen die EHT-Astronomen sechs Nächte lang M87, das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße und mehrere weiter entfernte Schwarze Löcher ins Visier.

Bildquelle: EHT / ESA / NASA