Überraschender Einblick in die Galaxienentwicklung

Bereits 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall gab es eine scheibenförmige Galaxie mit einer spiralförmigen Struktur – ähnlich wie sie die Spiralgalaxien im heutigen Kosmos zeigen. Das zeigt eine neue Analyse von Archivdaten der Radioteleskop-Anlage ALMA in Chile durch zwei japanische Astrophysiker. Solche Spiralstrukturen bilden sich demnach deutlich früher als bislang angenommen und lange vor dem Höhepunkt der kosmischen Sternentstehung, schreiben die beiden Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Spiralgalaxien haben eine ganze Reihe typischer innerer Strukturen, darunter eine Scheibe, Spiralarme und eine zentrale Verdichtung aus Sternen“, erläutern Takafumi Tsukui und Satoru Iguchi von der Graduiertenuniversität für fortgeschrittene Studien in Tokio. „Bislang ist nicht bekannt, wann in der kosmischen Geschichte diese Strukturen entstehen.“ In den heute üblichen Modellen der Galaxienentwicklung beginnt die Entstehung von Sternsystemen durch die chaotische Verschmelzung kleiner, unstrukturierter Protogalaxien. Erst innerhalb vieler Milliarden sollten sich daraus die heute bekannten stabilen Formen von Spiralgalaxien und elliptischen Galaxien bilden.

Doch in den Daten von ALMA, dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array in den nordchilenischen Anden, stießen Tsukui und Iguchi auf eine auffällige junge Galaxie mit einer hohen Zahl neu entstehender Sterne. Die Radiostrahlung des Objekts mit der Katalogbezeichnung BRI 1335-0417 ist durch die Expansion des Weltalls so stark rotverschoben, dass sie bereits vor 12,4 Milliarden Jahren ausgesendet worden sein muss. Wir sehen die Galaxie also so, wie sie 1,4 Milliarden Jahre nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren ausgesehen hat.

Die von den beiden Wissenschaftler durchgeführte Analyse der Strahlung von BRI 1335-0417 zeigt, dass die junge Galaxie bereits eine zentrale Verdichtung mit einem supermassereichen Schwarzen Loch aufweist, sowie eine ausgedehnte Scheibe mit zwei ausgeprägten Spiralarmen. Das ist in dieser frühen Epoche des Kosmos eine Überraschung für die Astronomen. Die frühesten Spiralstrukturen, die von ALMA bislang entdeckt worden waren, datieren aus einer Zeit von über 2,4 Milliarden Jahren nach dem Urknall. Zu jener Zeit hatte auch die Entstehung von neuen Sternen im Universum ihren Höhepunkt erreicht.

Die frühe Bildung von Spiralstrukturen könnten jedoch einen deutlichen Einfluss auf die Entwicklung von Galaxien haben, spekulieren Tsukui und Iguchi: Die Spiralen könnten den Zustrom von Gas in das Innere von Galaxien verstärken und so die Entstehung neuer Sterne auslösen. Möglicherweise treibt also die Entstehung von Spiralstrukturen die Entstehung neuer Sterne an und nicht umgekehrt.

Bildquelle: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO), T. Tsukui & S. Iguchi