Bei zwei auffällig dichten Regionen könnten es sich um Teile des marsgroßen Himmelskörpers handeln

Kurz nach der Entstehung des Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren stieß der marsgroße Himmelskörper Theia mit der Ur-Erde zusammen. Aus den ins All geschleuderten Trümmern – ein Gemisch aus Materie von Theia und Ur-Erde – entstand unser Mond. Doch Überreste von Theia haben sich auch tief im Mantel der Erde erhalten, wie jetzt ein Forschungsteam aus den USA und Großbritannien herausgefunden hat. Zwei bislang rätselhafte Regionen erhöhter Dichte lassen sich als Ansammlungen von Theia-Materie erklären, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Seismische Untersuchungen des Erdinneren zeigen zwei kontinentgroße Regionen, in denen sich seismische Wellen ungewöhnlich langsam ausbreiten“, erläutern Qian Yuan von der Arizona State University und seine Kollegen. Die Bereiche tief im Mantel der Erde unterscheiden sich demnach in ihrer Zusammensetzung vom umgebenden Material des Erdmantels und sind zwei bis dreieinhalb Prozent dichter. Bislang gab es für diese Regionen keine allgemein akzeptierte wissenschaftliche Erklärung,

Yuan und seine Kollegen zeigen jetzt mithilfe umfangreicher Computer-Simulationen, dass solche dichteren Regionen eine natürliche Folge von großen Kollisionen während der Planetenentstehung sind – und dass es sich bei den beiden Anomalien, die tief im Erdmantel unter dem Pazifik und unter Afrika liegen, um Überreste von Theia handeln kann. „Unsere Simulationen des Zusammenpralls zeigen, dass ein Teil des Mantels von Theia in den unteren Mantel der Erde wandern kann“, so die Forscher.

Ausgehend von der Zusammensetzung des aus Erd- und Theia-Trümmern entstandenen Mondes erhalten Yuan und seine Kollegen für diese absinkenden Bruchstücke des Theia-Mantels eine Dichte, die um zwei bis dreieinhalb Prozent höher liegt als jene des normalen Erdmantels – in guter Übereinstimmung mit den aus seismischen Untersuchungen abgeleiteten Werten. Wie die Simulationen des Teams außerdem zeigen, handelt es sich um bis zu fünfzig Kilometer große Bruchstücke des Theia-Mantels, die in das Innere der Erde sinken und sich dort, oberhalb der Erdkerns, zu größeren Gebilden vereinigen.

Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass diese größeren Verdichtungen über viereinhalb Milliarden Jahre hinweg, also bis in die heutige Zeit hinein, im Erdmantel stabil erhalten bleiben können, wie die Computer-Modellen zeigen. Und es gibt noch ein weiteres Indiz, das für die Hypothese von Yuan und seinen Kollegen spricht: Auf den Hawaii-Inseln findet sich eine Form vulkanischen Basalts, der in seiner Zusammensetzung erstaunlich dem Gestein der Lavaebenen auf dem Mond ähnelt. Dieses Gestein könnte seinen Ursprung in der tief unter Hawaii liegenden Region aus Thaia-Materie haben.

Das Modell von Yuan und seinen Kollegen ist aber nicht nur für das Erde-Mond-System von Bedeutung. „Große Zusammenstöße sind eine häufige Erscheinung in der letzten Phase der Planetenentstehung“, betonen die Forscher, „ähnliche Inhomogenitäten dürfte es deshalb auch im Inneren anderer Planeten geben.“ Und vielleicht lassen sich sogar im Inneren der Erde Spuren noch früherer Kollisionen auffinden.

Bildquelle: Hernán Cañellas