Haben Gezeitenkräfte den Himmelskörper einst erhitzt? Raumsonde "New Horizons" könnte die Antwort liefern.

Greenbelt (USA) - Der Zwergplanet Pluto ist etwa 30-mal so weit von der Sonne entfernt wie die Erde. Trotzdem könnte es auf seinem größten Mond Charon einst einen Ozean aus Wasser gegeben haben, verborgen unter einer dicken Eiskruste. Zu diesem Schluss kommen amerikanische Forscher: Gezeitenkräfte, so schreiben sie im Fachblatt „Icarus“, haben den Trabanten möglicherweise ausreichend erwärmt. Ob dieses Szenario korrekt ist, könnte im Sommer 2015 die Raumsonde „New Horizons“ zeigen. Wie die Wissenschaftler zeigen, lässt sich aus Rissen in der eisigen Oberfläche von Charon seine Geschichte rekonstruieren.

„Unsere Modelle sagen verschiedene Bruchmuster für die Oberfläche von Charon voraus“, erläutert Alyssa Rhoden vom Goddard Space Flight Center der Nasa, „sie hängen von der Dicke der Eiskruste, vom inneren Aufbau des Pluto-Mondes und von der Entwicklung seiner Umlaufbahn ab.“ Charon ist ungewöhnlich groß: Er besitzt ein Achtel der Masse von Pluto. Zum Vergleich: Der irdische Mond bringt nur etwa ein Achtzigstel der Erde auf die Waage – dabei ist auch er im Vergleich zu anderen natürlichen Satelliten im Sonnensystem ein ungewöhnlich großer Begleiter.

Die Planetenforscher vermuten, dass Charon – ähnlich wie der Erdmond – aus den Trümmern einer Kollision entstanden ist. Vermutlich hat der frisch entstanden Mond Pluto zunächst auf einer stark elliptischen Bahn umkreist. Dann hätten die permanent wechselnden Gezeitenkräfte sein Inneres geradezu durchgewalkt und durch Reibung erwärmt. So hätte Eis schmelzen und einen viele Kilometer tiefen Ozean bilden können. Einen ähnlichen verborgenen Ozean gibt es noch heute auf dem Jupitermond Europa. Dieser Trabant brachte Rhoden und ihre Kollegen auch auf die Idee zu ihrer Forschungsarbeit: Europas Eiskruste ist von einem spektakulären Muster aus Rissen überzogen.

Heute umrundet Charon Pluto auf einer nahezu kreisförmigen gebunden Umlaufbahn. Der Trabant wendet dem Zwergplaneten also ständig die gleiche Seite zu. Deshalb verursachen die Gezeitenkräfte keine Bewegungen mehr im Inneren des Mondes und ein früherer Ozean wäre seit langem gefroren. Doch das Muster der Risse auf der Oberfläche von Charon könnte den früheren Ozean immer noch verraten.

Bildquelle: NASA, ESA und G. Bacon (STScI)