Vergleichbare Sterne sind erheblich aktiver – die Frage ist: Warum?

Sterne, die ansonsten in jeder Hinsicht unserer Sonne ähneln, zeigen im Mittel eine fünf Mal höhere Aktivität. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam auf Basis der Auswertung jahrelanger Messungen der Weltraumteleskope Kepler und Gaia. Eine Erklärung für diesen Unterschied haben die Wissenschaftler bislang nicht. Sie halten es aber für denkbar, dass auch die Sonne Phasen mit erheblicher stärkerer Aktivität durchlaufen könnte, wie das Team im Fachblatt „Science“ schreibt.

Die Aktivität der Sonne manifestiert sich vor allem in dunklen Flecken auf ihrer Oberfläche, sowie in Strahlungsausbrüchen. Solche Ausbrüche können auch zum Auslöser geomagnetischer Stürme werden – mit gravierenden Folgen für Satelliten, Kommunikations- und Stromversorgungsnetze. Ein Verständnis der Ursachen und der Variabilität der Sonnenaktivität ist deshalb von großem Interesse. Bekannt ist, dass die solare Aktivität mit dem Magnetfeld in einem elfjährigen Zyklus schwankt – und dass es mitunter längere Phasen reduzierter Aktivität gibt, wie etwa das Maunder-Minimum zwischen 1645 und 1715.

Der zeitliche Bereich, für den Daten über die Sonnenaktivität aus der Beobachtung von Sonnenflecken, sowie radioaktiven Ablagerungen in Baumringen und Eiskernen bekannt sind, ist mit etwa 9000 Jahren sehr klein gegen die Lebenszeit der Sonne von 4,5 Milliarden Jahren. Deshalb hoffen Sonnenforscher weitere Erkenntnisse aus der Beobachtung von Sternen zu gewinnen, die unserer Sonne stark ähneln. Die bislang detaillierteste Analyse dazu legen jetzt Timo Reinhold vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und seine Kollegen vor. Die Forscher haben aus den Daten der Weltraumteleskope Kepler und Gaia insgesamt 369 Sterne herausgesiebt, die in physikalischer Sicht möglichst exakt der Sonne ähneln: Sie besitzen nahezu dieselbe Temperatur, Schwerkraft und chemische Zusammensetzung, sind etwa gleich alt und rotieren gleich schnell.

Aus den von Kepler gemessenen Helligkeitsschwankungen dieser Sterne leiten die Forscher dann deren Aktivität ab. Während die Strahlung der Sonne im Mittel lediglich um 0,07 Prozent variiert, finden Reinhold und seine Kollegen bei den untersuchten sonnenähnlichen Sternen durchschnittlich fünf Mal stärkere Variationen. Das Ergebnis war für die Wissenschaftler eine Überraschung, insbesondere weil auch die Rotationsperioden der Sterne nahezu identisch sind – und diese über den magnetischen Dynamoeffekt einen entscheidenden Einfluss auf die Aktivität haben sollte. Möglicherweise gäbe es also bislang unbekannte, aber fundamentale Unterschiede zwischen ansonsten identischen Sternen.

Doch auch eine andere Erklärung sei denkbar. „Es ist vorstellbar, dass unsere Sonne sich seit Jahrtausenden in einer ruhigen Phase befindet“, sagt Reinhold, „dann hätten wir eine völlig falsche Vorstellung von ihrer Aktivität.“ Vielleicht durchlaufen Sterne also allgemein Phasen unterschiedlich starker Aktivität und auch unsere Sonne könnte zu anderen Zeiten eine erheblich stärkere Aktivität aufweisen. Vorstellbar wäre auch, dass Sterne allgemein eine Art „Midlife Crisis“ durchlaufen, in der ihre Aktivität abnimmt – und dass sich die Sonne bereits in dieser Übergangsphase befindet. Die Beobachtungen liefern bislang keine Hinweise darauf, welche Erklärung die korrekte sein könnte – sie zeigen nur, dass unsere Sonne anders tickt als die meisten sonnenähnlichen Sterne.

Bildquelle: NASA/SDO/AIA/HMI/Goddard Space Flight Center