Die Biosphäre der Erde ist für technische Zivilisationen in unserer kosmischen Nachbarschaft seit langem sichtbar

Die Menschheit, so sagte der berühmte britische Physiker Stephen Hawking, solle sich besser still verhalten – denn Außerirdische könnten uns als bedrohliche Konkurrenz ansehen. Doch dafür ist es lange zu spät, wie jetzt die Astrophysikerinnen Lisa Kaltenegger vom Carl Sagan Institute der Cornell University in den USA und Jaqueline Faherty vom American Museum of Natural History zeigen: Die Signatur der irdischen Biosphäre ist von vielen Sternen im Umkreis von 300 Lichtjahren aus sichtbar – vorausgesetzt, dort lebende Wesen sind im Besitz ähnlicher oder gar besserer Teleskope wie wir. Und in 75 dieser Systeme sind inzwischen sogar Radiosignale von der Erde eingetroffen, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

„Bei unserer Suche nach Leben im Kosmos sind Planeten, die von uns aus gesehen regelmäßig vor ihren Sternen vorüber ziehen, derzeit unsere besten Kandidaten“, erläutern Kaltenegger und Faherty. Denn solche Planeten – von denen Astronomen inzwischen über 3400 aufgespürt haben – bieten gute Möglichkeiten, ihre Atmosphären zu untersuchen. Gase wie Sauerstoff oder Methan könnten Hinweise auf eine Biosphäre liefern. Möglicherweise ließe sich sogar die Luftverschmutzung durch eine technische Zivilisation nachweisen.

Doch solche Beobachtungen funktionieren nicht nur in eine Richtung: Auch außerirdische Astronomen könnten die Erde aufspüren, wenn sie von ihrer Position aus vor der Sonne vorüberzieht. Der hohe Sauerstoffgehalt der Atmosphäre wäre ein deutliches Signal für eine entwickelte Biosphäre. Geeignet empfindliche Instrumente vorausgesetzt, könnten die ET-Forscher in der Natur nicht vorkommende Substanzen wie Fluorkohlenwasserstoffe nachweisen. Damit wüssten die Außerirdischen, dass auf der Erde eine technische Zivilisation existiert.

Bleibt die Frage, von welchen Sternen aus gesehen die Erde vor der Sonne vorüberzieht und außerirdische Astronomen die Menschheit entdecken könnten. Einige hundert bis zu tausend Sterne könnten es sein, so die bisherigen Schätzungen. „Die bisherigen Untersuchungen haben jedoch nur die derzeitigen Positionen der Sterne berücksichtigt“, bemängeln Kaltenegger und Faherty. Doch die Sterne sind in ständiger Bewegung – und so ändert sich auch der Blickwinkel Richtung Erde und Sonne. Die beiden Forscherinnen haben jetzt erstmals den Einfluss der Sternenbewegung auf die Sichtbarkeit der Erde berücksichtigt.

Als Grundlage diente ihnen der Katalog der europäischen Gaia-Mission. Das Weltraum-Observatorium misst seit 2014 die Positionen und Bewegungen von über eine Milliarde Sterne der Milchstraße. Kaltenegger und Faherty haben bei ihrer Analyse den Zeitraum von vor 5000 Jahren – etwa dem Beginn der ersten Hochzivilisationen auf der Erde – bis 5000 Jahre in die Zukunft abgedeckt. Das Ergebnis: Insgesamt 2034 Sterne bis zu einer Entfernung von etwa 300 Lichtjahren liegen für diesen Zeitraum ganz oder zeitweilig in der Zone, von der aus Vorübergänge der Erde vor der Sonne beobachtbar sind.

Seit Beginn des Anthropozäns – also des Erdzeitalters, in dem der Mensch maßgeblich die Umweltbedingungen auf der Erde beeinflusst – sind Vorübergänge der Erde vor der Sonne von 1424 Sternen aus sichtbar. Und seit etwa hundert Jahren strahlt die Menschheit durch Rundfunk-, Fernseh- und Radarsender Radiowellen ins All ab. Diese Strahlung hat bereits 75 Sterne und ihre Planeten erreicht, von denen aus die Erde sich aufspüren lässt – und es werden ständig mehr, da die Radiostrahlung sich unaufhaltsam weiter im All ausbreitet.

„Es wird viel darüber diskutiert, ob wir aktiv Signale aussenden sollen – oder lieber unsere Anwesenheit verbergen“, schreiben Kaltenegger und Faherty. Doch diese Diskussion erscheint den beiden Wissenschaftlerin sinnlos, denn „die Biosphäre hat die Atmosphäre unseres Planeten seit Milliarden von Jahren verändert.“ Außerirdische Astronomen könnten daher seit mindestens einer Milliarde Jahren wissen, dass sich auf der Erde Leben entwickelt – und dann würde ihnen auch das Entstehen einer technischen Zivilisation nicht entgehen. Um sich noch vor Außerirdischen zu verstecken, dürfte es also zu spät sein.

Bildquelle: Nasa/JPL