Forscher finden Hinweise auf extrem langwellige Gravitationswellen – mithilfe ferner Pulsare

Albert Einstein hat wie immer recht: Auch Raum und Zeit lassen sich in Schwingungen versetzen – und diese Schwingungen breiten sich als Gravitationswellen mit Lichtgeschwindigkeit im Kosmos aus. Daran gibt es bereits seit 2015 keine Zweifel mehr, als der kilometergroße Detektor LIGO in den USA erstmals Gravitationswellen nachwies, die bei der Kollision von zwei großen Schwarzen Löchern in einer fernen Galaxie stammten. Jetzt haben gleich fünf internationale Forscherteams unabhängig voneinander ein weiteres Phänomen nachgewiesen: Raum und Zeit sind offenbar von einem stetigen Rauschen extrem langwelliger Gravitationswellen erfüllt.

Während LIGO und ähnliche Detektoren auf der Erde Gravitationswellen messen, die im Meterbereich liegen, geht es bei dem jetzt aufgespürten raumzeitlichen Rauschen um Wellenlängen im Bereich von Lichtjahren. Wie aber kann man Schwankungen mit solchen extremen Wellenlängen nachweisen? Zum Glück für die Forscher liefert die Natur eine Lösung: Sie hat überall im Kosmos extrem genaue Uhren platziert, die so genannten Millisekunden-Pulsare.

Pulsare sind Neutronensterne – also extrem dichte Überreste zusammengestürzter Sterne – die mit hoher Geschwindigkeit rotieren und starke Magnetfelder besitzen. Entlang der Achse des Magnetfelds sendet ein solcher Neutronenstern stark gebündelt Radiostrahlung aus. Da die Achse des Magnetfelds zumeist gegen die Rotationsachse gekippt ist, streicht dieser gebündelte Strahl ähnlich dem Kegel eines Leuchtturms durchs All. Trifft dieser Kegel bei seiner Rotation auf die Erde, so empfangen die Astronomen von dem Neutronenstern regelmäßig eintreffende Strahlungspulse – daher die Bezeichnung „Pulsare“.

Besonders extrem sind dabei die Millisekunden-Pulsare, die sich mehrere hundert Mal pro Sekunde drehen. „Diese Pulsare sind hervorragende natürliche Uhren. Wir nutzen die unglaubliche Regelmäßigkeit ihrer Signale, um nach winzigen Veränderungen in ihrem Ticken zu suchen und so die minimalen Dehnungen und Stauchungen der Raumzeit durch Gravitationswellen nachzuweisen“, erklärt David Champion, vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.

Allerdings reicht es nicht, dafür einen einzigen Pulsar zu beobachten. Denn die Natur stellt den Forschern auch Hindernisse in den Weg: Eine Vielzahl von Effekten führt zu einem Rauschen, zu zufälligen Schwankungen der Signale, die den erwarteten Veränderungen durch Gravitationswellen ähnelt. Deshalb verwenden die Astronomen „Pulsar Timing Arrays“, eine große Zahl von über den Himmel verteilten Pulsaren, deren Ticken sie über viele Jahre hinweg beobachten. Die Idee dabei: Je näher sich zwei Pulsare stehen, umso ähnlicher müssten die durch Gravitationswellen verursachten Schwankungen sein.

Insgesamt fünf Forschergruppen auf der ganzen Welt suchen seit Jahren mithilfe solcher Pulsar Timing Arrays unabhängig nach den langwelligen Gravitationswellen. Eines davon ist das Europäische Pulsar Timing Array EPTA, an dem Champion maßgeblich beteiligt ist. Mit insgesamt fünf großen Radioteleskopen hat das EPTA-Team innerhalb von 25 Jahren 60.000 Messungen an 25 stabilen Millisekunden-Pulsaren durchgeführt.

Zeitgleich mit den anderen vier Forschergruppen – dem Indian Pulsar Timing Array InPTA, dem amerikanischen Projekt NanoGRAV, dem Parkes Pulsar Timing Array PPTA in Australien und dem chinesischen Pulsar Timing Array CPTA – hat das EPTA-Team nun die Ergebnisse der bislang angesammelten Daten veröffentlicht. Die Ergebnisse der Teams stimmen überein: Das Ticken der Pulsare schwankt so, wie es aufgrund eines Gravitationswellen-Rauschens zu erwarten ist.

Während Detektoren auf der Erde Gravitationswellen empfangen, die ihre Ursache in kosmischen Katastrophen haben – dem Zusammenstoß Schwarzer Löcher –, hat das jetzt beobachtete Rauschen eine andere Ursache: Paare von supermassereichen Schwarzen Löchern, die sich in den Zentren ferne Galaxien auf engen Bahnen umkreisen. Die Forscher hoffen deshalb, aus der Beobachtung der langwelligen Gravitationswellen etwas über die Entstehung und Entwicklung dieser Schwarzen Löcher zu lernen.

Noch allerdings ist ein wenig Vorsicht geboten. Der Goldstandard in der Physik für die Entdeckung eines neuen Phänomens ist, dass das Ergebnis des Experiments mit einer Wahr­schein­lich­keit von weniger als einem Mal in einer Million zufällig auftritt. Die von den inter­nationalen Kollabo­ra­tionen jetzt vorgelegten Ergebnisse erfüllt dieses Kriterium noch nicht – hier liegt die Wahr­schein­lichkeit dafür, dass die Befunde zufälliger Natur sind, zwischen 1:300 und 1:10.000.

Gleichwohl zeigen sich die Forscher optimistisch, dass es sich um reale Signale von Gravitations­wellen handelt. Dafür spreche, dass die Signifikanz im Laufe der vergangenen sieben Jahre zugenommen habe, so Champion: „Seitdem hat es denselben Spektralindex und dieselbe Amplitude beibehalten. Und der spektrale Index stimmt auch mit den Erwartungen der Galaxien­entwicklung überein.“ Und schließlich sehen fünf inter­nationale Kollabo­ra­tionen unabhängig voneinander dasselbe Signal in ihren Daten. „Zusammen macht uns zuversichtlich, dass wir die Gravitations­wellen tatsächlich sehen. Aber wir sind uns bewusst, dass die Möglichkeit eines Fehlalarms besteht.“

Die Datensätze sollen jetzt im Rahmen des International Pulsar-Timing-Array zusammen­geführt werden. Ziel ist es, die aktuellen Datensätze zu erweitern, indem ein Netzwerk von über hundert Pulsaren genutzt wird, die mit dreizehn Radioteleskopen beobachtet wurden, und mehr als tausend Beobachtungen für jeden Pulsar bündeln. Diese Daten sollten es den Forschern ermöglichen, einen unwider­leg­baren Beweis für das Vorhandensein eines Gravitations­wellen-Hintergrunds bei Nanohertz-Frequenzen zu erbringen.

Bildquelle: Daniëlle Futselaar (artsource.nl) / MPIfR