Astronomen spüren lange gesuchten Sternentyp auf

Im Gegensatz zu unserer Sonne sind die meisten Sterne im Kosmos keine Einzelgänger. Vielmehr bilden sie überwiegend Paare. Und die Mitglieder solcher Paare können sich ganz anders entwickeln als einzelne Sterne. Theoretische Modelle der Entwicklung von Sternen sagen voraus, dass es deshalb sehr viele massereiche Sterne gibt, denen ein Partner ihre Wasserstoffhülle geraubt hat. Doch bis auf ein einziges Beispiel haben Astronomen keinen dieser massereichen nackten Heliumsterne gefunden. Ist also die Theorie falsch – oder haben die Himmelsforscher bislang nur nicht genau genug geschaut?

Ein internationales Forschungsteam um Maria Drout von der Universität Toronto in Kanada und Ylva Götberg von der Carnegie Institution of Science in den USA liefert jetzt eine Antwort auf diese Frage: Man hat diese Sterne bislang übersehen, weil ihr Licht von ihrem Partnerstern überstrahlt wird. Doch sie verraten sich aufgrund ihrer hohen Temperatur durch ihre starke ultraviolette Strahlung. Mithilfe eines auf den UV-Bereich spezialisierten Detektors des Weltraumteleskops Swift untersuchte das Team 500.000 Sterne in den Magellanschen Wolken, zwei kleinen Begleit-Galaxien der Milchstraße. Und in dieser Stichprobe fanden die Wissenschaftler tatsächlich 25 der von der Theorie vorgesagten Himmelsobjekte: heiße, massereiche nackte Heliumsterne.

Die Entwicklung eines Sterns hängt stark von seiner Masse ab: Je größer diese ist, desto heißer brennt er und desto schneller verbraucht er seinen Vorrat an Kernbrennstoff. Während ein Stern wie unsere Sonne über zehn Milliarden Jahre lebt, können massereiche Sterne bereits nach mehreren Millionen Jahren vergehen. In einem Doppelsystem aus zwei Sternen unterschiedlicher Masse bläht sich deshalb der massereichere zuerst zu einem Riesenstern auf, wenn sein Ende naht.

Und dann greift der masseärmere Stern mit seiner Schwerkraft nach der wasserstoffreichen Außenhülle seines aufgeblähten Partners und entreißt sie ihm – zurück bleibt ein kleinerer und heißerer Stern aus Helium. Die genaue Entwicklung eines solchen Systems hängt von vielen Einflüssen ab – etwa von der genauen Masse der Sterne und ihren Umlaufbahnen. Doch die Theorie liefert ein klares Ergebnis: Es sollte sehr viele solcher nackter Heliumsterne im Bereich von zwei bis acht Sonnenmassen geben.

Mithilfe weiterer Beobachtungen an einem der beiden 6,5 Meter großen Magellan-Teleskope in Chile gelang es Drout, Götberg und ihren Kollegen zu zeigen, dass es sich bei den 25 von ihnen mit Swift aufgespürten Sternen tatsächlich um die von der Theorie vorgesagte Art von Sternen handelt: Sie sind mit 60.000 bis 100.000 Grad sehr heiß, sie besitzen eine hohe Dichte – und bestehen an ihrer Oberflächen überwiegend aus Helium.

Für Astronomen ist die Entdeckung dieses Sterntyps von fundamentaler Bedeutung. Denn die meisten dieser Heliumsterne explodieren schließlich als Supernovae und hinterlassen als Überreste Neutronensterne oder Schwarze Löcher. Und all diese Objekte spielen eine wichtige Rolle bei der Erforschung der Entwicklung des Universums – ein Fehler in der Theorie der Sternentwicklung hätte deshalb gravierende Konsequenzen für die Kosmologie gehabt.

Mit dem Nachweis von 25 Heliumsternen in einer Stichprobe von 500.000 Sternen ist dem Team also zwar ein großer Schritt gelungen – doch das Ergebnis ist zahlenmäßig immer noch weit von den theoretischen Vorhersagen entfernt: Danach sollte es in den Magellanschen Wolken tausende solcher Sterne geben. Drout, Götberg und ihre Kollegen sind jedoch davon überzeugt, mit ihren Beobachtungen gewissermaßen die Spitze des Eisbergs erspäht zu haben.

Denn mit Swift konnten die Forscher keine Sterne in den dichteren Regionen der Magellanschen Wolken beobachten – also gerade dort, wo sich die meisten Sterne befinden. Die Wissenschaftler hoffen deshalb auf den Bau eines neuen Weltraumteleskops, den Ultraviolet Explorer UVEX, das sich derzeit bei der NASA im ersten Planungsstadium befindet. Ein Start diese Instruments, mit dem sich dann viele weitere der Heliumsterne aufspüren lassen sollten, wäre allerdings frühestens 2027 möglich.

Bildquelle: Ylva Götberg, ISTA