Astronomen spüren lange gesuchten Sternentyp auf

Der Asteroid Ryugu enthält komplexe organische Moleküle – so genannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe – die sich bereits vor der Entstehung des Sonnensystems in kalten Regionen des Weltalls gebildet haben müssen. Das zeigt die Analyse von Bodenproben, die von der japanischen Raumsonde Hayabusa-2 vor drei Jahren zur Erde gebracht worden waren, durch ein internationales Forschungsteam. Einige der Stoffe seien jedoch auch erst später unter höheren Temperaturen entstanden, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

Als „aromatisch“ bezeichnen Forscher ringförmige Verbindungen auf der Basis von Kohlenstoff-Atomen. Sie tragen ihren Namen, weil die zuerst entdeckten Stoffe dieser Art einen angenehmen – also aromatischen – Geruch aufweisen. Aromatische Moleküle spielen in der organischen Chemie, die sich mit komplexen, auf Kohlenstoff aufbauenden Molekülen befasst, eine wichtige Rolle.

„Polyzyklisch“ bedeutet, dass die Moleküle nicht nur einen, sondern viele Ringe enthalten. Solche PAHs – die Abkürzung steht für die englische Bezeichnung „polycyclic aromatic hydrocarbons“ – könnten auch eine Rolle bei der Entstehung von Leben spielen, etwa wenn sie durch Meteoriten auf die Oberfläche junger Planeten gelangen. Deshalb sind die Wissenschaftler daran interessiert herauszufinden, wann in der Entstehungsgeschichte von Sternen und Planeten sich diese Moleküle bilden.

Ein Gelegenheit dazu bieten die Bodenproben von dem etwa 900 Meter großen Asteroiden Ryugu. Hyabusa-2 war am 3. Dezember 2014 gestartet und hatte Ryugu am 27. Juni 2018 erreicht. Die Sonde setzte zwei Mal auf der Oberfläche des Asteroiden auf und entnahm mit einer speziellen Vorrichtung Bodenproben – insgesamt 5,4 Gramm. Am 13. November 2019 machte sich Hayabusa-2 dann auf den Rückweg zur Erde, wo sie die Probenkapsel am 5. Dezember 2020 abwarf.

Die Gesteinskörnchen von Ryugu enthalten, wie Untersuchungen zeigen, viele kohlenstoffhaltige Verbindungen, darunter auch Aminosäuren und PAHs. Wo aber waren diese Stoffe entstanden? Um das herauszufinden, bedienten sich Sarah Zeichner vom California Institute of Technology und ihre Kollegen in den USA eines Tricks: Sie machten sich zunutze, dass Kohlenstoff in verschiedenen Versionen – Isotope genannt – vorkommt.

Diese Isotope enthalten unterschiedlich viele Neutronen in ihren Atomkernen und sind damit unterschiedlich schwer. Und das beeinflusst auch ihr chemisches Verhalten – je nach Temperatur bei der Entstehung eines Moleküls enthält es unterschiedliche Mischungen der Kohlenstoff-Isotope. Nun konnten Zeichner und ihre Kollegen zwar die Isotopenverhältnisse der PAHs in den Ryugu-Proben analysieren – es fehlten ihnen jedoch Vergleichswerte.

Hier erhielten sie Unterstützung von einem Team der Curtin University in Australien. „Wir haben im Labor unter kontrollierten Bedingungen Pflanzen verbrannt“, berichtet Kliti Grice, eine weltweit führende Expertin für molekulare Fossilien und Isotopen-Chemie. So konnten die Wissenschaftler bestimmen, welche Isotope die bei der Verbrennung entstehenden PAHs in Abhängigkeit von der Temperatur enthalten – und diese Befunde dann mit den Werten der Ryugu-Proben vergleichen.

Das Ergebnis: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, die nur zwei oder vier Ringe enthalten, sind offenbar in sehr kühler Umgebung entstanden, also nicht erst in der warmen oder heißen Umgebung während der Entstehung der Sonne und ihrer Planeten, sondern durch bislang unbekannte Prozesse bereits im kalten Weltall weitab von Sternen. PAHs mit vielen Ringen – aber auch solche mit drei Ringen – zeigen dagegen Isotopen-Verhältnisse, die mit einer Entstehung bei höheren Temperaturen verträglich sind.

Zeichner und ihre Kollegen vermuten, dass sich die größeren PAHs erst durch Reaktionen in großen, noch heißen Himmelskörpern im jungen Sonnensystem gebildet haben, aus denen dann durch Kollisionen Bruchstücke wie der Asteroid Ryugu hervorgegangen sind. „Solche Reaktionen sind möglich, wenn flüssiges Wasser vorhanden ist“, schreiben die Forscher, „und wir wissen, dass flüssiges Wasser auf diesen ursprünglichen Körpern vorhanden war.“

Bildquelle: JAXA