Lang andauernder Gamma-Ausbruch mit überraschender Ursache

Am 7. März 2023 traf ein Schauer hochenergetischer Gammastrahlung die Detektoren des US-amerikanischen Weltraumteleskops Fermi. Der Gamma-Ausbruch dauerte mit 40 Sekunden ungewöhnlich lange – für Astronomen ein Zeichen dafür, dass die Explosion eines massereichen Sterns die Ursache der Strahlung sein sollte. Doch bei dem als GRB 230307A katalogisierten Ereignis trifft dieses Szenario offenbar nicht zu: Wie Beobachtungen eines internationalen Forschungsteams mit den Weltraumteleskopen Hubble und James Webb jetzt zeigen, hat die Kollision von zwei Neutronensternen den Gamma-Ausbruch ausgelöst. Die Beobachtungen zeigen auch erstmals, dass bei solchen Ereignisse in großer Menge Elemente schwerer als Eisen entstehen, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“.

Im Durchschnitt registrieren Satelliten wie Fermi jeden Tag einen Schauer hochenergetischer Gammastrahlung aus fernen Galaxien. Die Forscher unterscheiden dabei zwischen kurzen Ausbrüchen, die weniger als zwei Sekunden andauern, und solchen, die länger als zwei Sekunden aufleuchten. Die beiden Arten entstehen, so die derzeitige Theorie, durch unterschiedliche Prozesse: Der Zusammenstoß und die Verschmelzung zweier kompakter Objekte – Neutronensterne oder stellare Schwarze Löcher – lösen demnach kurze Gamma-Ausbrüche aus, während lange Gamma-Ausbrüche im Zuge der Explosion massereicher Sterne entstehen. Beide Prozesse sind auch im sichtbaren Licht als „Kilonova“ beziehungsweise „Supernova“ sichtbar.

Prinzipiell können Astronomen der Ursache eines Gammaausbruchs durch Beobachtung des Nachglühens, also der optischen und infraroten Strahlung nach dem Ausbruch, auf die Spur kommen. „Der Schlüssel zur Interpretation der Beobachtungen ist dabei die Entfernung, aus der die Gammastrahlung zu uns kommt“, schreiben Yu-Han Yang von der Universität Rom und seine Kollegen. „Doch unglücklicherweise war diese Entfernung im Fall von GRB 230307A bislang unbekannt.“

Drei Möglichkeiten sahen die Forscher: Das Ereignis könnte erstens in einer der Magellanschen Wolken, Satelliten-Galaxien unserer Milchstraße, stattgefunden haben. Die zweite Möglichkeit wäre eine Spiralgalaxie in einer Entfernung von etwa 900 Millionen Lichtjahren. Und schließlich, dritte Möglichkeit, der Ausbruch könnte aus einer 11,5 Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie im jungen Kosmos stammen. Auf Basis verschiedener physikalischer Überlegungen – etwa, dass sich die Trümmer der Explosion nicht schneller als das Licht ausbreiten können – folgern Yang und seine Kollegen, dass einzig die zweite Möglichkeit infrage kommt.

Mit diesem Ergebnis, so die Wissenschaftler, lassen sich die Beobachtungen nur mit einer Kilonova, also der Kollision zweier Neutronensterne, erklären. Das ist für die Forscher überraschend, da solche Ereignisse üblicherweise Gamma-Ausbrüche verursachen, die kürzer als zwei Sekunden andauern. Während die lange Dauer dieses Ausbruchs die Forscher also vor ein Rätsel stellt, liefern die Beobachtungen des Teams zugleich weitere wichtige Erkenntnisse: Sie zeigen erstmals direkt, dass bei solchen Kollisionen Elemente schwerer als Eisen entstehen können. Durch Kernfusion in Sternen können solche Elemente nicht entstehen. Das Nachglühen von GRB 230307A lasse sich am besten durch den radioaktiven Zerfall von Lanthanoiden erklären – das sind die Elemente mit den Ordnungszahlen 58 bis 71.

Bildquelle: National Science Foundation/LIGO/Sonoma State University/A. Simonnet