Astronomen auf der Spur eines neues Himmelsphänomens

Seit mehreren Jahren zerbrechen Astronomen sich den Kopf über ein mysteriöses Himmelsphänomen: In fernen Galaxien zeigt sich gelegentlich ein mehrere Tage andauerndes, helles Aufleuchten. Es ähnelt Sternexplosionen – doch solche Supernovae leuchten nicht wenige Tage lang, sondern über mehrere Wochen hinweg. Jetzt ist ein internationales Forschungsteam einer Lösung des Rätsels ein Stück näher gekommen: Bei einem dieser Objekte stießen sie mehrere Monate lang auf minutenlange Blitze. Das deute darauf hin, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature“, dass die Energiequelle der rätselhaften Erscheinungen ein Neutronenstern oder ein Schwarzes Loch sei.

Als Prototyp des Phänomens gilt AT 2018cow, ein 2018 beobachtetes Aufleuchten in einer etwa 200 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie. Es war zehn bis hundert Mal heller als eine normale Supernova – und die Helligkeit fiel bereits innerhalb von wenigen Tagen wieder ab. Parallel zum Aufleuchten im sichtbaren Licht stießen die Astronomen auch auf ultraviolette und stark veränderliche Röntgenstrahlung von AT 2018cow. Seither haben die Himmelsforscher nur sechs weitere, ähnliche Erscheinungen aufgespürt – das Phänomen ist damit tausend Mal seltener als Sternexplosionen.

Anna Ho von der Cornell University in den USA und ihre Kollegen haben eines dieser Ereignisse, AT2022tsd, das 2022 in einer etwa drei Milliarden Lichtjahre entfernten Galaxie auftrat, mit dem Keck Telescope auf Hawaii und dem Thai National Telescope in Thailand weiter beobachtet. Dabei stießen sie unerwartet auf mehrere minutenlange, stark schwankende Helligkeitsausbrüche in den Monaten nach dem eigentlichen Aufleuchten.

Die große Helligkeit der Ausbrüche, ihre schnellen Schwankungen und ihre kurze Dauer liefern den Astronomen wichtige Hinweise auf den Ursprung der Strahlung: Die Lichtquelle muss mit maximal zehn Millionen Kilometern astronomisch gesehen recht klein sein – und es muss eine starke Bündelung der Strahlung in Richtung Erde auftreten. Und solche Bündelungen sind den Astronomen nicht unbekannt: Sie treten typischerweise bei den Materiestrahlen auf, die von Neutronensternen mit starken Magnetfeldern und von Schwarzen Löchern aus mit hoher Geschwindigkeit ins All hinaus schießen.

Das Team kommt daher zu dem Schluss, dass AT2022tsd durch einen solchen relativistischen Jet verursacht wurde, der mit einer Geschwindigkeit von mindestens 60 Prozent der Lichtgeschwindigkeit von einem Neutronenstern oder Schwarzen Loch ausgeht. Ho und ihre Kollegen vermuten, dass dieses kompakte Himmelsobjekt mit seiner Schwerkraft einen anderen Stern zerrissen und damit das tagelange Aufleuchten ausgelöst hat.

Ein Teil der Materie des zerstörten Sterns wird durch das Magnetfeld in einem gebündelten Materiestrahl nach außen katapultiert und führte zu den späteren Helligkeitsausbrüchen. Der genaue Verlauf solcher Ereignisse würde dann sowohl von der Art des kompakten Objekts als auch von der Art des zerrissenen Sterns abhängen – und von der Richtung der Materiestrahlen relativ zur Erde.

Bildquelle: NASA’s Goddard Space Flight Center/Chris Smith (USRA/GESTAR)