Computermodell reproduziert erstmals sowohl beobachtete Galaxientypen als auch deren chemische Zusammensetzung

Cambridge (USA) / Heidelberg - Die Simulation ist kaum mehr von der Realität zu unterscheiden: Forscher aus Deutschland und den USA präsentieren das bislang beste Computermodell unseres Universums. Mit fünf Supercomputern und einer Prozessorzeit von insgesamt 16 Millionen Stunden haben die Wissenschaftler die Entwicklung des Kosmos über einen Zeitraum von 13 Milliarden Jahren verfolgt – die Entstehung großräumiger Strukturen, von Galaxienhaufen und Galaxien aus dem ursprünglich nahezu gleichmäßig verteilten Gas. Erstmals gelang es dabei, sowohl die heute beobachteten Häufigkeiten von unterschiedlichen Galaxientypen, als auch deren chemische Zusammensetzung korrekt wiederzugeben. Das Team präsentiert die Ergebnisse der „Illustris“-Simulation im Fachblatt „Nature“.

„Frühere Simulationen haben zwar das heute beobachtete kosmische Netz von Galaxien korrekt wiedergegeben“, so Mark Vogelsberger vom Massachusetts Institute of Technology im US-amerikanischen Cambridge und seine Kollegen, „doch sie konnten nicht das korrekte Gemisch von Spiralgalaxien und Elliptischen Galaxien erzeugen.“ Grund dafür seien einerseits Rechenungenauigkeiten, andererseits unvollständige physikalische Modelle gewesen. „Illustris“ basiert nicht nur auf einem neuen Ansatz für das Simulationsprogramm, es berücksichtigt zudem zahlreiche bislang vernachlässigte physikalischer Effekte.

Statt eines Rasters mit vorgegebener Struktur verwendet „Illustris“ ein unstrukturiertes Gitter, das sich an die Dynamik und Entwicklung der Materieverteilung anpasst – und so dort, wo mehr passiert, mit höherer Auflösung rechnet. Das physikalische Modell berücksichtigt nicht nur die Schwerkraft und die Entstehung von Sternen aus kollabierenden Gaswolken, sondern auch kühlende Gasströmungen, die Entwicklung der Sterne bis hin zu Supernova-Explosionen, die Produktion von chemischen Elementen durch Kernfusion, den Einfall von Materie in supermassive Schwarze Löcher und die Rückwirkung der dadurch freigesetzten Strahlung auf die Sternentstehung – um nur einen Teil der komplexen Vorgänge zu nennen.

Um Computermodell und Realität zu vergleichen, haben Vogelsberger und seine Kollegen eine simulierte Beobachtung in „Illustris“ durchgeführt und mit dem „Hubble Ultra Deep Field“, einer extrem detailreichen Himmelsaufnahme des Weltraumteleskops Hubble, durchgeführt. Nicht nur beim globalen Eindruck, selbst bei individuellen Galaxien ist kein offensichtlicher Unterschied zu erkennen. Und auch diverse Messgrößen, mit denen die Forscher die Strukturen im Kosmos beschreiben, gibt „Illustris“ korrekt wieder. Besonders beeindruckend ist, dass sogar die vom Modell gelieferte Häufigkeit schwerer Elemente in den unterschiedlichen Galaxientypen mit den beobachteten Werten übereinstimmt.

Doch auch „Illustris“ ist noch nicht perfekt, wie die Forscher eingestehen. Und gerade bei den Abweichungen von der Wirklichkeit zeigt sich der Wert derartiger Simulationen. So entstehen in der Simulationen die Sterne in Zwerggalaxien viel zu früh: Das mittlere Alter der kleinen Sternsysteme ist im Modell zwei- bis dreimal so groß wie in der Wirklichkeit. Dieses Problem deute, so Vogelsberger und seine Kollegen, auf offene Probleme in der Theorie. Eine weitere Verbesserung der Simulationen könne künftig zeigen, ob beispielsweise Rückkopplungseffekte im Zusammenhang mit interstellarem Staub eine bislang unterschätzte Rolle spielen.

Bildquelle: Illustris Collaboration