Radiobeobachtungen entlarven kaltes Gas im Zentrum eines jungen Galaxienhaufens

Madrid (Spanien) - Riesengalaxien in den Zentren von Galaxienhaufen wachsen durch den Zustrom gewaltiger Mengen an kaltem Gas aus ihrer Umgebung an. Das zeigen Beobachtungen eines internationalen Forscherteams mit dem Australia Telescope Compact Array und dem Very Large Array in den USA. Die Radiobeobachtungen zeigen in der Umgebung der zehn Milliarden Lichtjahre entfernten Spinnennetz-Galaxie eine Gaswolke, die eine Million Lichtjahre groß ist und die hundertmilliardenfache Masse der Sonne enthält. Der Zustrom dieses kalten Gases erkläre auch die Entstehung von mehreren hundert Sternen pro Jahr in der Galaxie, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Science“.

„Die Entstehung der größten Galaxien im Universum ist nach heutigen Erkenntnissen ein zweistufiger Prozess“, schreiben Bjorn Emonts vom Zentrum für Astrobiologie in Madrid und seine Kollegen. „Zehn Milliarden Jahre lang sind die Riesengalaxien vor allem durch Kannibalismus angewachsen, also dadurch, dass sie mit kleineren Galaxien verschmelzen. Computersimulationen zeigen jedoch, dass diese Systeme bereits vorher große Mengen an Gas aufgenommen haben, aus denen Sterne entstanden sind.“ Das deckt sich mit der Beobachtung, dass bereits im jungen Kosmos, wenige Milliarden Jahre nach dem Urknall, Riesengalaxien im Zentrum entstehender Galaxienhaufen vorhanden sind.

Doch bislang fehlte ein direkter Nachweis dieses ersten Entwicklungsschritts. Dieser gelang Emonts und seinen Kollegen jetzt mit ihrem aufwändigen Beobachtungsprojekt am Beispiel der Spinnennetz-Galaxie. Die Galaxie trägt ihren Namen, weil sie in ein Netz aus Filamenten eingebettet ist, in das – Fliegen in einem Spinnennetz ähnlich – kleinere Galaxien eingebettet sind. Diese Zwerggalaxien dürften in der weiteren kosmischen Geschichte von der Riesengalaxie verschlungen werden. Die insgesamt 98 Stunden dauernden Radiobeobachtungen zeigen aber darüber hinaus erstmals den Zustrom von kaltem Gas auf die Riesengalaxie.

Dieses minus 200 Grad Celsius kalte Gas besteht zwar hauptsächlich aus Wasserstoff, doch die Astronomen haben mit ihren Beobachtungen das leichter nachweisbare Kohlenmonoxid erfasst. Da Kohlenstoff und Sauerstoff nicht beim Urknall entstanden sind, sondern nur durch Kernfusion im Inneren von Sternen produziert wird, muss zumindest ein Teil des von Emonts und seinen Kollegen nachgewiesenen Gases „recycelt“ sein: in Sternen entstanden, durch Sternwinde und Sternexplosionen ins All geblasen und von dort in den intergalaktischen Raum gelangt. Nun gilt es mit weiteren Beobachtungen zu klären, welche Prozesse dafür verantwortlich sind, wie es sich dort abkühlt und warum es sich im Zentrum von Galaxienhaufen ansammelt.

Bildquelle: ESO / M. Kornmesser