Astronomen beobachten 20.000 Lichtjahre breite Gasströmung – wichtige Rolle bei der Entstehung neuer Sterne

In der 74 Millionen Lichtjahre entfernten Spiralgalaxie NGC 4383 ist die Hölle los: Ständig entstehen eine Vielzahl neuer Sterne, von denen einige bereits nach wenigen Millionen Jahren als Supernova explodieren. Diese Explosionen wiederum lösen eine gewaltige Gasströmung aus, die mit einer Geschwindigkeit von 760.000 Kilometern pro Stunde auf einer Breite von 20.000 Lichtjahren aus der Galaxie herausschießt. Einem internationalen Team von Astronomen gelang es jetzt erstmals, diese Strömung detailliert zu beobachten. Wie die Wissenschaftler im Fachblatt „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ berichten, verschmutzt die Gasströmung die Galaxie und ihre Umgebung mit schweren Elementen wie Sauerstoff und Stickstoff – Grundlage für die Bildung der nächsten Generation von Sternen und Planeten.

Die Entstehung von Sternen in Galaxien ist ein komplexer Vorgang: Kühles Gas strömt von außen in die Galaxien hinein und verdichtet sich zu Wolken. Besonders dichte Regionen solcher Gaswolken ziehen sich durch ihre eigene Anziehungskraft immer weiter zusammen, erwärmen sich dabei und bilden schließlich neue Sterne. Die kräftige Strahlung junger Sterne und insbesondere die Explosion massereicher Sterne als Supernovae bläst andererseits das Gas wieder aus den Galaxien heraus und bremst so die Entstehung weiterer Sterne.

„Solche Gasströmungen spielen also eine wichtige Rolle für die Regulierung der Sternentstehung in Galaxien“, erläutern Adam Watts von der University of Western Australia und seine Kollegen. Doch die Gasströme, von den Astronomen „Outflows“, also „Ausflüsse“ genannt, sind nicht leicht zu beobachten. „Deshalb wissen wir bislang nur sehr wenig über die Physik der Strömungen und über ihre genauen Eigenschaften“, so Watts.

Im Rahmen des Programms MAUVE an der Europäischen Südsternwarte ESO wollen die Wissenschaftler deshalb die Gasströme in insgesamt vierzig Galaxien im Virgo-Galaxienhaufen genau untersuchen. NGC 4383 ist die erste Galaxie, die dazu mit speziellen Zusatzgeräten am Very Large Telescope der ESO beobachtet wurde. „Natürlich haben wir auf interessante Ergebnisse gehofft“, sagt Barbara Catinella, die ebenfalls an der University of Western Australia tätig ist, „aber die Daten haben unsere Erwartungen weit übertroffen!“

So gelang es den Forscher, in der hauptsächlich aus Wasserstoff bestehenden Gasströmung Sauerstoff, Stickstoff, Schwefel und viele andere chemische Elemente nachzuweisen. Die Ausflüsse spielen also eine wichtige Rolle bei der Anreicherung einer Galaxie und auch des intergalaktischen Raums in einem Galaxienhaufen mit solchen schweren Elementen. Fällt dieses Gas schließlich wieder in die Galaxie zurück, so steht es für die Entstehung der nächsten Sternengeneration zur Verfügung – und die darin enthaltenen schweren Elemente für die Bildung von Planeten.

Insgesamt enthält die beobachtete Gasströmung von NGC 4383 eine Menge an Gas, die der Masse von 50 Millionen Sonnen entspricht, berichten Watts und seine Kollegen. Die Beobachtung weiterer Galaxien im Rahmen des MAUVE-Programms muss nun zeigen, ob die Gasströmung von NGC 4383 ungewöhnlich stark oder ein typisches Beispiel für die Rolle dieses Phänomens bei der Sternentstehung ist.

Bildquelle: ESO/A. Watts et al