Kugelsternhaufen belegt Verschmelzung mit Kleingalaxie
Der Kugelsternhaufen NGC 2005 ist ein fremder Eindringling in der Großen Magellanschen Wolke, einer kleinen Nachbargalaxie der Milchstraße. Beobachtungen eines internationales Forscherteams zeigen, dass die chemische Zusammensetzung seiner Sterne deutlich von jener der anderen Sternhaufen in der Zwerggalaxie abweicht. Demnach müsse es sich um ein Überbleibsel einer kleineren Galaxie handeln, die mit der Großen Magellanschen Wolke verschmolzen ist, so die Wissenschaftler im Fachblatt „Nature Astronomy“. Sie sehen darin eine Bestätigung für das „hierarchische Szenario“ der Kosmologie.
„Danach haben die großen Galaxien, die wir heute beobachten, ihre gewaltige Masse durch Verschmelzungen mit vielen kleinen Galaxien erlangt“, erläutern Alessio Mucciarelli von der Universität Bologna in Italien und seine Kollegen. „Dieser Prozess sollte aber auch bei den kleineren Satelliten-Galaxien wie den Magellanschen Wolken stattfinden.“ Das zeige sich zwar in Computersimulationen der kosmischen Entwicklung – doch bislang fehlen Beobachtungen, die solche Verschmelzungen bei Zwerggalaxien nachweisen.
Mucciarelli und seine Kollegen haben jetzt elf Kugelsternhaufen in der Großen Magellanschen Wolke und 15 Kugelsternhaufen in der Milchstraße mithilfe eigener Beobachtungen, sowie unter Verwendung von Archivdaten des Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO in Chile genau unter die Lupe genommen. Kugelsternhaufen sind sehr dichte Ansammlungen von vielen tausend Sternen. „Aufgrund ihrer Dichte können sie Verschmelzungen für Jahrmilliarden überstehen“, so die Forscher – während sich eine kleinere Galaxie, die in eine größere eingedrungen ist, über einen solchen Zeitraum bereits spurlos aufgelöst hat.
Erwartungsgemäß unterscheidet sich die chemische Zusammensetzung der Sterne in den Kugelsternhaufen der Milchstraße und der Großen Magellanschen Wolke deutlich voneinander, da beide Galaxien eine unterschiedliche Entwicklungsgeschichte durchlaufen haben. Darin sehen Mucciarelli zunächst eine Bestätigung dafür, dass sich Kugelsternhaufen gut für die Untersuchung der Entwicklung von Galaxien eignen. Doch unter den Kugelsternhaufen der Großen Magellanschen Wolke gibt es einen Ausreißer: NGC 2005 passt nicht zu den anderen Haufen der Zwerggalaxie.
„Die deutlichen chemischen Unterschiede zwischen NGC 2005 und den anderen Kugelsternhaufen zeigen, dass hier zwei vollständig unterschiedliche Entwicklungswege vorliegen müssen“, so Mucciarelli und seine Kollegen. NGC 2005 könne sich nicht in der gleichen Umgebung gebildet haben, wie die anderen Sternhaufen. Der geringere Anteil an schweren Elementen zeige vielmehr, dass NGC 2005 einer deutlich kleineren Galaxie entstamme, in der die Sternentstehung langsamer abgelaufen sei als in der Großen Magellanschen Wolke.
NGC 2005 ist also der einzige überlebende Zeuge der Verschmelzung einer Kleingalaxie mit der Großen Magellanschen Wolke. Von der Kleingalaxie selbst gibt es keine Spur mehr, da der Vorgang vermutlich schon vor vielen Milliarden Jahren stattgefunden hat. Wie vom hierarchischen Szenario vorhergesagt, wachsen also nicht nur große Galaxien, sondern auch Zwerggalaxien durch Verschmelzungen an. Wie Mucciarelli und seine Kollegen betonen, bieten Kugelsternhaufen einen Weg, auch Einblick in die Entwicklung anderer Galaxien jenseits unserer Milchstraße zu nehmen.
Bildquelle: Zdeněk Bardon/ESO