Die Folgen der Entdeckung außerirdischer Intelligenzen
Der Kontakt mit einer der Menschheit möglicherweise weit überlegenen Zivilisation mag aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich sein – doch seine Folgen könnten für die gesamte irdische Gesellschaft disruptiv sein. Mit diesem Argument fordern die Soziologen Michael Schetsche und Andreas Anton die Entwicklung einer neuen Wissenschaft – der Exosoziologie. Zwei Aufgaben stehen dabei im Vordergrund: Erstens die Erforschung des möglichen Ablaufs eines solchen Kontakts – insbesondere mit Blick auf die maximale Fremdheit Außerirdischer. Und zweitens die Erforschung der möglichen Folgen dieses Kontakts, um mögliche Schäden von der Menschheit abzuwenden.
Im ersten Teil ihres Buches „Sie sind da“ liefern die Autoren einen historischen Abriss des menschlichen Denkens über Außerirdische – gut recherchiert und voller durchaus überraschender, weil oft vergessener Vorstellungen. Es folgt ein Überblick über den heutigen Kenntnisstand zum Thema außerirdisches Leben, wobei sich die Autoren an den Faktoren der berühmt-berüchtigten Drake-Formel entlang hangeln. Dagegen ist wenig einzuwenden – allerdings ordnen Schetsche und Anton auf recht gewagte Weise allen Faktoren Werte zu und kommen dann schließlich auf 56,3 technologisch fortgeschrittene Zivilisationen in der Milchstraße. Das suggeriert eine Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Analyse, die schlicht nicht existiert. Die Drake-Formel eignet sich als Diskussionsgrundlage, aber nicht um konkrete Ergebnisse zu erhalten – je nach Lust und Laune lässt sich jedes gewünschte Ergebnis erzielen.
Mit diesem optimistischen Ergebnis bewaffnet wenden sich die Autoren nun der Frage zu, wie wir die Außerirdischen finden können – oder sie uns. Bislang waren zwar alle Suchaktionen – ob nach Radiosignalen oder Artefakten im Sonnensystem – erfolglos. Aber das muss natürlich nicht so bleiben. Kritisch befassen sich Schetsche und Anton mit der gezielten Aussendung von Signalen an Außerirdische. Hier zeigt sich, wie sehr sich die Sichtweise auf diesem Gebiet in den vergangenen Jahrzehnten gewandelt hat. Erwarteten Forscher und SF-Autoren in den 1960er und 1970er Jahren gleichermaßen Hilfe und Wissen von den Außerirdischen, so dominieren heute eher warnende Stimmen und das Szenario des „dunklen Walds“ des chinesischen SF-Autors Liu Cixin: Die Galaxis könnte ein gefährlicher Ort sein und es mag besser sein, sich völlig ruhig zu verhalten.
Was lernen wir aus alledem? Die Autoren präsentieren am Schluss ihres Buches drei höchst unterschiedliche Szenarien, wie ein Erstkontakt ablaufen und welche Folgen er haben könnte. Von gar keinen Folgen bis zur vollständigen Übernahme des Internets durch eine postbiologische Intelligenz: „Jetzt wache ich über euch“. Ob das ein optimistisches oder ein pessimistisches Szenario ist, mag jeder für sich entscheiden. Jedenfalls merkt man den Autoren im letzten Abschnitt ihre Liebe zur SF-Literatur an. Etwas weniger an Ausschmückungen wäre hier vielleicht mehr gewesen.
Insgesamt ein durchaus lesenswertes Buch, das den Stand der Diskussionen zum Thema außerirdisches Leben gut zusammenfasst. Als Mangel mag man die oft etwas seltsame Sprache – hier ein „ja“ und dort ein „ja“ und allzu viele unvollständige Sätze – ansehen. Ein versiertes Lektorat hätte dem Buch sicher gut getan.
Andreas Anton & Michael Schetsche
Sie sind da
Komplett-Media, München
gebundene Ausgabe
ISBN 978-3-8312-0550-9
25,-- Euro