Pulsierende Radioquelle stellt bisheriges Wissen über Neutronensterne infrage
Am Südhimmel, im Sternbild Schild, ist ein internationales Forscherteam auf eine mysteriöse Quelle von Radiostrahlung gestoßen: Alle 21 Minuten sendet das 15.000 Lichtjahre entfernte Himmelsobjekt GPM J1839-10 einen Strahlungspuls aus, der jeweils zwischen einer halben und fünf Minuten andauert. Und das, wie Nachforschungen der Wissenschaftler in astronomischen Datenarchiven ergaben, bereits seit über 35 Jahren. Mit den bisherigen Vorstellungen von pulsierenden Radioquelle – so genannten Pulsaren – lasse sich dieses ungewöhnliche Objekt nicht erklären, so die Forscher im Fachblatt „Nature“.
Als die britische Astronomin Jocelyn Bell 1967 auf Radiopulse aus dem All stieß, die sich alle 1,3 Sekunden wiederholten, dachte sie zunächst an ein Signal außerirdischer Wesen. Inzwischen kennen Himmelsforscher über 3000 derartiger Pulsare mit Perioden im Bereich von Sekunden bis hinab zu Millisekunden in unserer Milchstraße. Und die Wissenschaftler haben auch eine natürliche Erklärung für das Phänomen gefunden: Es handelt sich um schnell rotierende Neutronensterne mit einem starken Magnetfeld.
Neutronensterne sind extrem dichte Sternenleichen: Sie sind nur etwa zehn Kilometer groß, enthalten aber mehr als die Masse unserer Sonne. Viele Neutronensterne besitzen ein starkes Magnetfeld – und durch dieses Magnetfeld beschleunigte Elektronen erzeugen die Radiostrahlung, die von den magnetischen Polen aus ins All hinausschießt. Da jedoch die Nord-Süd-Achse des Magnetfelds nicht mit der Drehachse des Neutronensterns übereinstimmt, streicht dieser Strahl ähnlich wie bei einem Leuchtturm durch das Weltall. Und immer, wenn der Strahl auf die Erde trifft, registrieren die Radioteleskope einen Puls des Objekts.
Aber nicht jeder Neutronenstern ist zugleich ein Pulsar: Das Magnetfeld muss ausreichend stark und die Rotation genügend schnell sein. Damit ergibt sich eine Grenze, jenseits der Neutronenstern keine Radiopulse aussenden sollten, Die Astrophysiker nennen diese Grenze die „Todeslinie“ der Pulsare. Mit seiner extrem langsamen Periode von 21 Minuten liegt GPM J1839-10 nicht nur ein wenig, sondern weit jenseits dieser Todeslinie.
„Das Objekt stellt unser Verständnis von Neutronensternen infrage“, gesteht deshalb Natasha Hurley-Walker von der Curtin University in Australien. Gemeinsam mit ihren Kollegen war die Astronomin mit einer großen Teleskop-Anlage in Westaustralien, dem Murchison Widefield Array, auf der Suche nach ungewöhnlichen, veränderlichen Radioquellen am Himmel, als sie auf GPM J1839-10 stieß.
Zunächst hielten die Wissenschaftler es für ein vorübergehendes Phänomen. Doch eine Durchforstung der Archive anderer großer Radioteleskope lieferte ein überraschendes Ergebnis: Das Objekt war – zuvor unbemerkt – in den Daten des Giant Meter Wave Radio Telescope in Indien und des Very Large Array in den USA verborgen. Die ältesten Daten reichen zurück bis 1988 – und schon damals hat GPM J1839-10 Radiopulse mit der gleichen Periode ausgesendet.
Wie aber kann ein derart langsam rotierender Neutronenstern Radiopulse aussenden – und das über Jahrzehnte hinweg? Vielleicht, so spekulieren Hurley-Walker und ihre Kollegen, handelt es sich um einen „Magnetar“, einen Neutronenstern mit einem extremen Magnetfeld, tausend Mal stärker als bei einem normalen Pulsar. Dieses starke Magnetfeld könnte, so die Überlegung, die langsamere Rotation ausgleichen. Allerdings ist bislang kein Magnetar bekannt, der so langsam rotiert wie GPM J1839-10. Außerdem senden Magnetare gleichzeitig mit der Radiostrahlung auch Röntgenstrahlung aus – doch bei GPM J1839-10 konnte das Team keine Röntgenstrahlung nachweisen.
Ist also GPM J1839-10 vielleicht gar kein Neutronenstern? Als weiteren Erklärungsansatz diskutieren die Wissenschaftler einen Weißen Zwergstern mit einem starken Magnetfeld. Da solche Objekte erheblich größer sind als Neutronensterne, können sie trotz ihrer langsamen Drehung auch Radiostrahlung erzeugen. Doch bislang kennen die Astronomen keinen Weißen Zwerg, der eine ähnlich starke Radiostrahlung zeigt wie GPM J1839-10. Das Team sucht nun gezielt nach weiteren Pulsaren mit langen Perioden, um der Natur dieses rätselhaften Himmelsobjekts auf die Spur zu kommen.
Bildquelle: ICRAR